Amelia Peabody 10: Die Hüter von Luxor
aber dennoch trotziges Lächeln zu. »Ich kann helfen. Und das werde ich eines Tages auch tun, warte nur ab.«
Als er ihr energisch vorgeschobenes Kinn und ihre zusammengepreßten Lippen bemerkte, verstand Ramses, was seine Mutter meinte, wenn sie von Warnzeichen und Vorahnungen sprach. Er hatte volles Verständnis für Nefrets Empfindungen, doch sie besaß die gefährliche Angewohnheit, sich in Dinge einzumischen, an die sich sonst niemand heranwagte, und besagte Sache konnte sie in ernsthafte Schwierigkeiten bringen. Egal mit welchen Mitteln, aber irgendwie mußte es ihm gelingen, sie vom Haus der Schwalben – und von Layla – fernzuhalten. Zwei von Laylas Ehemännern waren plötzlich und auf grausame Weise verstorben. Wenn er eine Frau kannte, die weder Hilfe noch Mitgefühl bedurfte, dann war sie es.
Als wir irgendwann in derselben Woche mit Cyrus und Katherine zu Abend aßen, erinnerte mich eine beiläufige Bemerkung letzterer an ein von mir nicht eingehaltenes Versprechen. Katherine hatte mich gefragt, wann wir die jüngeren Emersons und Lia erwarteten, und Cyrus hatte sich anerboten, sie in seinem »Schloß« aufzunehmen. Er war ein umgänglicher Mensch und liebte Gesellschaft, doch obwohl sein Anwesen wesentlich komfortabler und eleganter ausgestattet war als unsere kleine Hütte, lehnte ich die Einladung dankend ab.
»Sie sollen am kommenden Montag in Alexandria eintreffen, aber ich weiß nicht, wie lange sie sich in Kairo aufhalten werden, bevor sie weiterreisen.«
»Nicht sehr lange, nehme ich an«, sagte Katherine. »Sie werden sich auf das Wiedersehen mit Ihnen freuen. Wir hoffen, daß auch wir sie häufig als unsere Gäste begrüßen dürfen. Ich glaube, Sie erwähnten, daß die kleine Miss Emerson im nächsten Herbst die Universität besuchen will. Wenn sie in diesem Winter ihren Unterricht fortsetzen möchte, dann denken Sie daran, daß ich früher als Gouvernante und Lehrerin gearbeitet habe.«
»Gütiger Himmel«, entfuhr es mir. »Das erinnert mich an – Fatima! Wir haben ihr versprochen, eine Lehrerin für sie zu finden. Sie ist so zurückhaltend, daß sie es nicht wagen würde, erneut danach zu fragen.«
»Sie besitzt mehr Initiative, als du dir vorstellst, Tante Amelia«, erwiderte Nefret. »Sie hat bereits eigene Vorkehrungen getroffen. Anscheinend gibt es in Luxor eine Dame, die Privatunterricht erteilt.«
Der Hinweis veranlaßte Katherine natürlich zu dem Wunsch nach einer näheren Erläuterung. Auf meine Erklärung reagierte sie mit der mitfühlenden Begeisterung, die ich von ihr erwartet hatte.
»Wenn ich darüber nachdenke, daß diese naive kleine Frau solchen Ehrgeiz entwickelt! Das vermittelt mir das Gefühl tiefster Beschämung. Ich sollte ebenfalls Unterrichtsstunden geben.«
»Warum gründest du keine Schule?« schlug Cyrus vor. »Finde ein passendes Gebäude, und stelle Lehrer ein.«
»Ist das dein Ernst?« Ihr Gesicht hellte sich auf. Mit ihrem von grauen Fäden durchwirkten Haar, den rundlichen Wangen und den grünen Augen hatte mich Katherine schon immer an eine hübsche Tigerkatze erinnert. Man konnte sie keineswegs als schön bezeichnen, doch wenn sie ihren Ehemann so wie jetzt anschaute, fand ich sie recht anziehend – und er natürlich auch. »Ist das wirklich dein Ernst, Cyrus? Zusätzlich zu Lesen und Schreiben könnten wir die Mädchen in Haushaltsführung und Säuglingspflege unterrichten, diejenigen ausbilden, die gewisse Talente wie Maschineschreiben zeigen und …«
Cyrus brach in schallendes Gelächter aus. »Und Universitäten für die Horde gründen! Mein Schatz, wenn es dich glücklich macht, kannst du meinetwegen ein Dutzend Schulen eröffnen.«
Nach dem Abendessen zogen wir uns in den Salon zurück, wo wir von Sekhmet, der Katze der Vandergelts, liebevoll begrüßt wurden. Ursprünglich hatte sie uns gehört; wir hatten sie in der Hoffnung mit nach Ägypten genommen, daß sie Ramses über den Verlust seiner langjährigen Gefährtin Bastet hinwegtröstete. Doch er hatte Sekhmet, die er verächtlich als »Felltorpedo« bezeichnete, nicht akzeptiert. Es stimmte, daß Sekhmet so außergewöhnlich liebebedürftig und wenig wählerisch war, daß es ihr egal war, wessen Schoß sie belagerte, doch gerade diese Eigenart hatte Cyrus an ihr gefallen. Jetzt lebte sie wie eine Prinzessin im »Schloß«, wurde vom Verwalter mit Sahne und Fischfilet verwöhnt, wenn die Vandergelts in Amerika weilten, und verließ das mit Mauern eingefriedete Anwesen nie – denn
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