Amelia Peabody 10: Die Hüter von Luxor
damit verbundene Arbeit war sicherlich immens. »Wie ist Ihnen das denn gelungen?« fragte Cyrus. Ein neidischer Unterton schwang in seiner Stimme mit. Ihm fehlte die Arbeit im Tal, wo er so viele Jahre lang erfolglos, aber dennoch mit großer Begeisterung Ausgrabungen vorgenommen hatte.
»Taktik«, erwiderte mein Gatte selbstgefällig. »Ich habe Weigall lediglich erklärt, daß sich niemand außer mir um dieses verfluchte Grab schert, insbesondere Davis, dieser selbstgefällige Ignorant …«
»Das hast du doch wohl hoffentlich nicht gesagt!« entfuhr es mir, als um mich herum alles lachte.
»Welchen Unterschied macht es schon, ob ich das gesagt habe? Weigall war einverstanden, und er ist der Verantwortliche.«
»Es war sehr nett von ihm, darüber hinwegzusehen, daß du ihn neulich zusammengeschlagen hast.«
»Das geschah lediglich zu seinem Besten«, sagte Emerson scheinheilig. »Ist auch egal. Wir werden mehr Leute benötigen als bei der Arbeit an den kleineren Gräbern. Ich brauche auch Nefret und David, denn ich beabsichtige, Unmengen von Fotos zu machen.«
Als wir zu Hause eingetroffen waren, schickte uns Emerson alle zu Bett, da er am nächsten Tag zeitig aufbrechen wollte. Nachdem ich mein Haar ausgebürstet und geflochten hatte, zog ich mein Nachthemd an, schlüpfte aus dem Zimmer und ließ Emerson über seine Notizen gebeugt zurück.
Auf mein leises Türklopfen hin reagierte Nefret sofort. Mit Ausnahme der Katze, die mitten auf dem Bett lag, befand sie sich allein im Zimmer. »Ist irgend etwas nicht in Ordnung, Tante Amelia?« fragte sie.
»Nein. Ich bin nur ein wenig neugierig. Warst du es, die Mr. Weigall überredet hat, Emersons Drängen nachzugeben? Mein Liebes, ich hoffe, daß du nicht zu unlauteren Mitteln gegriffen hast. Mr. Weigall ist ein verheirateter Mann und …«
»Seiner Hortense treu ergeben«, fügte Nefret hinzu, während sie ein Lächeln zu unterdrücken versuchte.
»Ich flirte nie mit verheirateten Männern, Tante Amelia. Ich bin entsetzt, daß du so etwas annehmen könntest.«
»Ah«, sagte ich. »Mr. Davis ist kein verheirateter Mann, nicht wahr? Und Mr. Weigall tut alles, was Mr. Davis von ihm verlangt. An besagtem Abend ist mir aufgefallen …«
Nefret prustete los. »Ramses ebenfalls. Er beschuldigte mich, mit Mr. Davis zu flirten. Mr. Davis ist vollkommen harmlos, Tante Amelia, aber wie viele ältere Männer besonders empfänglich für Schmeicheleien und Komplimente. Ich habe es für den Professor getan.«
»Hmmm. Hast du eine Vorstellung, weshalb er so versessen auf die Arbeit in diesem Teil des Tals ist?« »Eine Idee ist mir bereits gekommen. Sie dürfte dir allerdings auch bekannt sein.«
»Ja.« Ich seufzte. »Wir können nur hoffen, daß Mr. Ayrton in dieser Saison nicht auf irgendwelche interessanten Gräber stößt.« Ich verweise den werten Leser auf meinen Plan vom Tal der Könige und lade ihn ein, einen Blick auf die nähere Umgebung von Grab Nr. 5 und das Gebiet zu werfen, in dem Mr. Ayrton arbeitete. Wenn es unentdeckte Grabstätten im Tal gab, waren es exakt diese Gebiete, wo man vielleicht mit entsprechenden Funden rechnete. Und wenn Ned ein solches Grab fand, würde Emerson zur Stelle sein, jede seiner Bewegungen beobachten und alles kritisieren, was er unternahm.
Ich rechnete mit Problemen und hatte (selbstverständlich) recht. Doch nicht einmal ich hätte das Ausmaß der tatsächlich eingetretenen Katastrophe vorhersehen können.
Zweites Buch
Die Pforten der Unterwelt
O erhabene Affen,
die ihr die Pforten des Himmels bewacht: Nehmt das Böse von mir,
vergebt mir meine Bünden, behütet mich, auf daß ich die Pylone des
Westens durchschreiten kann.
7. Kapitel
Der Zugang zum Tal hatte sich seit unseren frühen Ägyptenreisen erheblich verändert. Eine holprige, aber dennoch brauchbare Straße führte durch die unwegsamen Schluchten, und eine Holzschranke versperrte mittlerweile denjenigen den Zugang, die keine entsprechenden Eintrittskarten vorweisen konnten. Unsere Pferde gehörten zu den ersten auf der Eselkoppel, denn die Sonne war noch nicht aufgegangen, als unsere kleine Karawane das Haus verlassen hatte. Wir hatten diese längere, dafür aber weniger mühsame Strecke statt des Fußweges gewählt, der über den Berg von Dair al-Bahri führte, da sich Grab Nr. 5 neben dem Eingang – direkt hinter der Schranke – befand.
Ramses und David begleiteten uns nicht. Ganz zufällig hatte ich am Morgen einen Teil ihrer Unterhaltung mit angehört. Sie
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