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Amelia Peabody 10: Die Hüter von Luxor

Titel: Amelia Peabody 10: Die Hüter von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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Gesicht war unverschleiert, und sie trug nur ein knappes Jäckchen und eine durchsichtige Pluderhose. Derartige Kleidungsstücke trug man nur in der Privatsphäre eines Harems, und keine ehrbare Frau hätte sich unverhüllt in der Öffentlichkeit gezeigt. Hinter einem Ohr hatte sie eine ähnliche Blüte festgesteckt; die leuchtende Farbe betonte ihr dunkles Haar. Es war schwierig, ihr Alter einzuschätzen. Sie besaß die Körperformen einer jungen Frau, doch ihr Haar war von silbernen Fäden durchzogen, und um ihre vollen Lippen lag ein verhärmter Zug.
    Ramses bückte sich und hob die Blume auf. Es erschien ihm unhöflich, das nicht zu tun, obwohl er vermutete, daß die Geste vielleicht eine andere Bedeutung hatte. »Danke, Sitt. Möge es dir Wohlergehen.«
    »Ein Geschenk«, sagte sie mit tiefer, vertraulicher Stimme.
    »Brachten nicht die alten Ägypter ihrem König Blumen dar?«
    »Das schon, Sitt, aber ich bin kein König.«
    »Aber du trägst einen königlichen Namen. Einer niedrigen Dienerin wie mir steht es nicht zu, ihn zu verwenden; soll ich dich mit ›mein Gebieter‹ anreden?«
    Ihre Augen schimmerten weder braun noch schwarz, sondern in einem ungewöhnlichen Farbton zwischen grün und haselnußbraun. Sie hatte sie mit Malachitpuder umrahmt. Ramses gefiel dieses Geplänkel – zumindest war es eine ihm bislang unbekannte Form der Annäherung –, doch Nefret und David waren wartend stehengeblieben, und er war sich ziemlich sicher, daß Nefret nicht lange auf ihn warten würde. Mit einem Grußwort wollte er sich von der Frau abwenden. »Du bist deinem Vater sehr ähnlich.«
    Sie hatte englisch gesprochen. Diese Tatsache und ihre erstaunliche Äußerung weckten seine Neugier. »Es gibt wenige Menschen, die das denken«, sagte er.
    Sie entzündete ein Streichholz am Türrahmen und damit eine Zigarette, die sie aus den Falten ihrer weiten Hose hervorgezaubert hatte. Langsam schweifte ihr Blick von seinem Gesicht bis hin zu seinen Füßen und dann noch bedächtiger wieder zurück. »Deine Statur ist nicht so kräftig wie seine, aber du bist stark und groß, und du bewegst dich genau wie er, geschmeidig wie ein Panther. Deine Augen und deine Hautfarbe sind dunkler; darin ähnelst du eher uns, mein junger Gebieter! Doch deine Gesichtsform und dein Mund …«
    Ramses spürte, wie er errötete – das war ihm schon seit Jahren nicht mehr passiert. Aber bislang hatte auch noch keine Frau so zu ihm gesprochen oder ihn taxiert wie ein Käufer ein Pferd. Oder wie Männer Frauen taxierten.
    Was dem einen recht ist, ist dem anderen billig, wie seine Mutter sich auszudrücken pflegte. Verhaltene Belustigung überlagerte seine Verlegenheit, und er unterbrach ihre Schilderung seiner Vorzüge mit einem Kompliment hinsichtlich ihrer Englischkenntnisse. Ihr Wortschatz war sicherlich umfassend.
    »Das ist der neue Weg, den die Frauen eingeschlagen haben«, lautete ihre Antwort. »Wir gehen wie gehorsame Kinder zur Schule, damit wir eines Tages nicht mehr die Leibeigenen, sondern die Bezwinger der Männer sind. Hast du nicht davon gehört, mein junger Gebieter? Deine ehrenwerte Mutter weiß das. Frage sie, ob Frauen nicht ebenso gefährlich wie die Männer sind, wenn sie …«
    »Ramses!«
    Er fuhr zusammen. Nefrets Tonfall erinnerte ihn unangenehm an den seiner Mutter. »Ich muß gehen«, sagte er. Das Lächeln, das ihre geschlossenen Lippen umspielte, erinnerte ihn an eine der Statuen im Museum – die bemalte Kalksteinbüste mit dem Titel »Die weiße Königin«. Die Haut dieser Frau war nicht alabasterweiß, sondern von einem weichen, tiefen Braunton und so zart wie Seide. »Du gehorchst, wenn sie dich ruft? Du gleichst deinem Vater mehr, als ich dachte. Mein Name ist Layla, mein junger Gebieter. Wenn du kommst, werde ich hier auf dich warten.«
    Als er sich den beiden anderen anschloß, bemerkte er, daß er immer noch die Blume festhielt. Sie Nefret anzubieten war sicherlich kein geschickter Zug. Als sie außer Sichtweite der Frau waren, warf er sie schließlich weg.
    Nefret wartete, bis sie am Fuß des Hügels angelangt waren. Sie ließ sich von ihm in den Sattel helfen und meinte dann unverfroren: »Warte einen Augenblick. Bleib stehen. Ich möchte dich ansehen.«
    »Nefret …«
    »Ich nehme an, du tust so etwas nicht absichtlich. Oder etwa doch?«
    »Was denn?« Ihm war klar, warum sie aufgesessen hatte, bevor sie sich ihm zuwandte. Ihre Haltung und ihr Benehmen entsprachen dem einer vornehmen Dame im Gespräch mit

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