Amelia Peabody 11: Der Fluch des Falken
brütendes Schweigen und überließ es mir, die Unterhaltung auf das mir am Herzen liegende Thema zu lenken. »Mir ist zu Ohren gekommen, daß sich Weigall fürchterlich über den Verkauf von Artefakten aufgeregt haben soll«, bemerkte ich forsch.
Howards langes Gesicht wurde noch länger. »Er hat mich der Fahrlässigkeit bezichtigt. Man stelle sich das einmal vor! Der Bursche legt sich mit jedem an, sogar mit Maspero, der ihn so gefördert hat.«
»Trotzdem kann ich seine Einstellung in gewisser Weise nachvollziehen«, fuhr ich fort. »Es ist eine Schande, daß diese schönen Objekte an private Sammler verkauft werden.«
Damit hatte ich Howards wunden Punkt getroffen, da er sich hinsichtlich der Beschaffung wertvoller Kunstschätze zum Fachmann für seine wohlhabende Klientel entwickelt hatte – von denen einer sein derzeitiger Arbeitgeber war. Er wirkte etwas verunsichert, verteidigte sich jedoch vehement. »Das ist ja alles gut und schön, Mrs. E., und prinzipiell stimme ich Ihnen zu, aber wir haben nicht einmal das erforderliche Personal für eine angemessene Überwachung, und das weiß Weigall ganz genau. Wie viele Stücke von unschätzbaren Wert sind denn durch seine Hände gegangen, als ich Inspektor von Oberägypten war?«
Howard wischte sich über seine von Schweißperlen übersäte Stirn, grinste mich entschuldigend an und ließ die Bombe platzen. »Da wir gerade von Artefakten sprechen, stimmt es eigentlich, was ich von Abdullahs Sammlung gehört habe?«
Ich verschüttete meinen Tee, Emerson fluchte, und Ramses fragte: »Was haben Sie denn gehört, Mr. Carter?«
»Daß sie von mehreren europäischen Händlern veräußert worden ist.« Sein Blick wanderte von mir zu Ramses, fand in dessen verschlossenem Gesichtsausdruck nichts Aufschlußreiches und musterte schließlich Emerson, aus dessen Zügen man wie in einem Buch lesen kann. »Vielleicht hätte ich das nicht erwähnen dürfen. Sollte es ein Geheimnis bleiben? Das kann ich mir allerdings kaum vorstellen.«
Ramses ließ sich nicht zu der Äußerung »Das habe ich euch ja gleich gesagt« hinreißen, auch wenn ihm sicherlich danach zumute war. Statt dessen blickte er zu seinem Vater und erwiderte: »Wir spielten mit dem Gedanken, Sie ins Vertrauen zu ziehen, Mr. Carter.«
»Verflucht, dann können wir es ebensogut tun«, brummte Emerson. »Die Sache kommt ohnehin ans Licht.
Abdullah besaß keine Sammlung, Carter. Die ihm zugeschriebenen Artefakte sind schlicht und einfach Fälschungen. Der Mann, der sie verkaufte, gab sich zwar als David aus, war es aber nicht.«
Diese Stellungnahme war typisch für Emerson – die nackten Tatsachen ohne Einzelheiten oder Erklärungen.
Die sogenannte Holzhammermethode. Deshalb sah ich mich zu einigen klärenden Erläuterungen gezwungen und beschrieb, wie wir in diese Sache hineingezogen worden waren und was wir bislang herausgefunden hatten. Natürlich unterbrach mich Emerson mitten in meinem Redefluß.
»Das reicht jetzt, Amelia. Also, Carter, jetzt können Sie Ihre Skepsis beweisen und die üblichen dummen Fragen stellen. Sind Sie sicher, daß die Artefakte Fälschungen sind? Woher wissen wir, daß David nicht der Verkäufer war? Haben wir –«
»Nein, Sir«, erwiderte Howard entschlossen. »Wenn Sie sagen, daß es sich um Fälschungen handelt, dann glaube ich Ihnen. Wissen Sie, ich habe mich auch gewundert. Ich kannte Abdullah recht gut – natürlich nicht so gut wie Sie, trotzdem würde ich es vermutlich wissen, wenn er in diese Antiquitätenschiebereien verwickelt gewesen wäre. Darauf gab es nie den kleinsten Hinweis. Mir hätte auf Anhieb klar sein müssen, daß das nicht stimmte.«
Ich sprang auf, legte meine Arme um Howards Schultern und drückte ihn gerührt. »Vielen Dank.«
Howard errötete erfreut und wurde dann vor Entsetzen blaß – schließlich kannte er Emersons hitziges Tem perament zur Genüge. Doch der meinte nur: »Hmhm.« Ich hatte Howard eigentlich nie verdächtigt und war erleichtert, daß wir auf seine Hilfe zurückgreifen konnten.
Die von ihm angeführten Theorien waren zwar nicht sonderlich konstruktiv, bewiesen aber wieder einmal sein gutes Herz.
Nach dem Abendessen brach Carter auf. Wir trennten uns in freundschaftlichem Einvernehmen, und er versprach uns seine Unterstützung und einen ausgedehnteren Besuch zu einem späteren Zeitpunkt. Nach einem ruhigen Abend im Kreise unserer engsten Freunde freuten wir uns auf die wohlverdiente Nachtruhe; wir ahnten ja nicht, daß die
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