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Amelia Peabody 11: Der Fluch des Falken

Titel: Amelia Peabody 11: Der Fluch des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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was ist denn los? Was ist passiert?«
    Daraufhin sah ich mich zu einer erneuten Schilderung gezwungen. Mittlerweile klang das Ganze wie eine hanebüchene Geschichte; selbst ich konnte kaum glauben, daß sie der Wahrheit entsprach. Der zartbesaitete Karl war so tief betroffen, daß er sich nicht einmal zu unbequemen Fragen hinreißen ließ, wie beispielsweise, warum das Mädchen zur Ausgrabungsstätte gekommen war und was ihren Bruder dazu veranlaßt hatte, ihr zu folgen. Tränen füllten seine sanften braunen Augen und rollten in seinen Backenbart. Ich hätte ihm ebenfalls einen Schluck Brandy angeboten, doch als ich die Flasche an mich nahm, stellte ich fest, daß Jack sie geleert hatte.
    »Viel länger kann ich das nicht mehr ertragen«, bemerkte Emerson in beiläufigem Tonfall. »Von Bork, hören Sie auf zu heulen, und seien Sie ein Mann. Wir brauchen Ihre Hilfe.«
    Karl wischte sich mit seinem Handrücken die Tränen fort und nahm Haltung an. Ich rechnete schon fast damit, daß er salutierte.
    »Ja, Herr Professor! Entschuldigen Sie, Frau Professor! Ich bin wie stets Ihr ergebener Diener.«
    Es gelang mir, die ganze Angelegenheit kompetent und würdevoll zu meistern. Nefret und ich brachten den zusammengekrümmten Leichnam in eine ansprechendere Lage, denn ich hatte bereits die ersten Anzeichen der einsetzenden Totenstarre bemerkt. Das bedeutete, daß der Tod irgendwann in den frühen Morgenstunden eingetreten sein mußte. Eine exaktere Zeitangabe war unmöglich, und sie wäre auch nicht sonderlich hilfreich gewesen. Wir hielten uns nicht länger als nötig mit dieser unangenehmen Aufgabe auf, und schon kurze Zeit später machte sich der von Selim organisierte Eselskarren mit einem Troß unserer Männer auf den Weg nach Gizeh. Jack folgte ihnen zu Pferd; Karl trottete neben ihm her und wirkte etwas deplaziert auf seinem kleinen Esel, doch sein Mitgefühl und seine Hilfsbereitschaft beflügelten ihn. In seinem hochgestochenen Deutsch versicherte er mir, daß er seinem »Freund Jack« nicht von der Seite weichen würde, solange dieser ihn brauchte.
    Nefret hatte darauf bestanden, sie zu begleiten. Sie verfügte über eine medizinische Ausbildung, und sie war eine Frau – beides Aspekte, die ihr von Nutzen sein konnten, behauptete sie, und warum sollte ausgerechnet ich ihr das verwehren? Ich versprach, sobald wie möglich nachzukommen.
    Nachdem wir uns in den Schatten zurückgezogen hatten, bemerkte Emerson: »Verflucht, schon wieder ein verlorener Tag! Diese Burschen sind doch heute zu keiner Arbeit mehr fähig.«
    Das bezog sich auf die von uns angeworbenen Einheimischen. Sie hockten in einiger Entfernung zusammen, rauchten und unterhielten sich leise. Ihre vorsichtig in unsere Richtung geworfenen Blicke bestätigten Emersons pessimistische Einschätzung.
    Natürlich war mir klar, daß Emersons rüdes Verhalten lediglich dazu diente, seine wahren Gefühle zu verschleiern. Trotzdem hielt ich es für angeraten, ihn sanft zu ermahnen. »Wie kannst du nur denken, daß einer von uns noch zur Weiterarbeit in der Lage ist, Emerson? Das wäre hochgradig pietätlos.«
    »Hmhm«, brummte Emerson und musterte zärtlich seinen Sohn. »Äh – alles in Ordnung, mein Junge?«
    »Sicher, Sir. Danke der Nachfrage.«
    Ramses stand da und blickte auf den Erdboden, wo der Sand aufgewühlt war und eine sanfte Mulde bildete. »Sie hat kaum geblutet«, bemerkte er abwesend.
    »Verflucht«, knurrte Emerson. »Das hatte ich befürchtet.« Er hob seine Stimme zu einem unüberhörbaren Brüllen. »Selim! Schick die Männer nach Hause und dann komm mit Daoud hierher!«
    »Ich bitte dich«, sagte ich.
    »Zum Teufel damit«, schnaubte Emerson.
    Mit Daoud im Schlepptau gesellte sich Selim zu uns. Der hünenhafte Daoud hatte ein ebenso großes Herz; Maude hatte zwar nie auf seine freundschaftlichen Gesten reagiert, dennoch liebte er alle kleinen jungen Geschöpfe, egal welcher Gattung, und sein naives Gesicht war vom Schmerz gezeichnet. Auf Emersons Geste hin ließen sie sich im Schneidersitz neben uns auf dem Teppich nieder, und Selim bemerkte mit ernster Stimme: »Die Männer sind besorgt, Vater der Flüche. Sie fragen sich, wie so etwas passieren konnte.«
    »Das würden wir auch gern wissen, Selim. Es muß heute nacht passiert sein. Ihr Bruder ist nicht sonderlich gewissenhaft als Aufpasser, aber er hätte sicherlich bemerkt, wenn sie gestern abend nicht zu Hause gewesen wäre. Was hat sie hier ganz allein in der Dunkelheit

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