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Amelia Peabody 11: Der Fluch des Falken

Titel: Amelia Peabody 11: Der Fluch des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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sicherlich kein appetitlicher Anblick«, sagte er, an Lia gewandt, während er das Papier löste. »Falken schätzen ihre Nahrung frisch und blutig. Ich hoffe, ich kann ihn zum Essen bewegen. Er ist –«
    Er hielt inne; ich wandte meinen Kopf in Richtung seines Blicks und entdeckte Nefret auf der Türschwelle.
    »Guten Morgen«, rief sie. »Wie geht es ihm?«
    »Gut, wie du siehst. Möchtest du das übernehmen?« Ramses streckte seine Hand aus. Der eklige Inhalt des Päckchens wurde jetzt sichtbar und stank nach frischem Blut.
    Über den Käfig hinweg trafen sich ihre Blicke, und mich beschlich der Gedanke (denn ich bin eine Verfechterin der schönen Künste), daß diese Szenerie ein hervorragendes Motiv für die Maler der präraffaelitischen Schule wie Holman Hunt oder den berühmten Dante Gabriel Rossetti abgegeben hätte. Auf der einen Seite die Jungfrau mit ihrem goldenen Lockenkranz, auf der anderen der große, dunkelhaarige Jüngling, seine ausgestreckte Hand von Opferblut befleckt; zwischen ihnen der Falke der Morgendämmerung, gefangen in der Dunkelheit. Was für eine weitreichende Symbolik, welche unterschwelligen Hinweise auf Mythen und Legenden! Das Sonnenlicht tauchte die beiden Gestalten in goldenes Licht, wie die von mir erwähnte Schule der Malerei es bevorzugte. Rossetti hätte die Jungfrau vermutlich in jagdgrünen Samt gehüllt …
    Dann sagte die Jungfrau: »Wirf das vergammelte Zeug weg.«
    »Das wäre aber wirklich eine Schande«, murmelte Ramses. Er warf die ekelerregende Masse zurück auf das Papier und legte es auf den Tisch.
    »Wisch dir nur ja nicht die Hände an deiner Hose ab, Ramses«, rief ich einen Augenblick zu spät.
    Die anderen waren näher getreten und beobachteten uns. »Verschwindet«, befahl Nefret.
    Geoffrey, allen voran, warf ihr einen verletzten Blick zu. »Was machst du da, Liebling? Kann ich dir irgendwie behilflich sein?«
    »Ich werde ihn freilassen. Geht mir aus dem Weg. Ramses, öffne die Hintertür.«
    Als sie nach dem Käfig griff, hielt er ihre Hände fest. »Nicht ohne Handschuhe.«
    Die dicken Schutzhandschuhe waren abgenutzt und voller Flecken. Sie nahm sie ihm ab und streifte sie über. Auf dem Hof vor den Stallungen hob sie den Falken auf ihren Unterarm. Er war noch nicht ausgewachsen und sie beileibe kein zartes, behütetes Geschöpf der Zivilisation, trotzdem war mir unverständlich, wie sie die Muskelkraft aufbringen wollte, die sie für ihr Vorhaben benötigte. Einen Augenblick lang rechnete ich damit, daß Ramses ihr seine Hilfe anbieten oder ihr zumindest eine praktischere und weniger dramatische Methode vorschlagen würde; aber sie blickte ihn nur an, und er schloß den Mund.
    Einen Moment lang verharrte sie reglos, ihre freie Hand schützend über den gefiederten Kopf gelegt, und ich hätte schwören können, daß sie leise auf den Vogel einredete. Als sie sich bewegte, reagierte der Falke unvermittelt und mit faszinierender Anmut. Er breitete seine Flügel aus, und sie schwang ihn in die Lüfte; er erhob sich aus eigener Kraft und stieg immer höher. Mit zurückgeworfenem Kopf beobachtete sie ihn, bis sein triumphierender Schrei über die wiedergewonnene Freiheit den Morgenhimmel erfüllte. Daraufhin drehte sie sich um und schlenderte in den Stall zurück.
    Geoffrey stand neben mir. »Großartig«, flüsterte er mit leuchtenden Augen. »Sie ist wie eine Göttin! Womit habe ich eine solche Frau verdient?«
    »Zugegeben, ich habe keine Ahnung«, erwiderte ich und mußte lachen, weil er mich betreten anschaute. »Das war lediglich einer meiner kleinen Scherze, Geoffrey. Mit der Zeit werden Sie sich daran gewöhnen. Nein, folgen Sie ihr noch nicht. Es schmerzt sie jedesmal, wenn sie ihnen die Freiheit wiedergibt.«
    Bald darauf brachen wir auf, und da ohnehin alle versessen auf einen Ausritt waren, sah ich keinen Grund, warum wir das Ausgrabungsgebiet nicht aufsuchen sollten. Für die prachtvollen Pferde war es sowieso nur eine kurze Strecke.
    An diesem Tag arbeiteten unsere Männer nicht. Daoud und Selim trafen die Vorbereitungen für das Fest, von dem sie behaupteten, es würde das großartigste Ereignis von ganz Ägypten werden, und die Exkavation lag einsam und verlassen im gleißenden Licht der Mittagssonne. Eine trockene Brise trieb Sandwehen über das Plateau. Nefret hatte ihr Gesicht mit einem dünnen Schal geschützt, wie ihn die muslimischen Frauen trugen. Nachdem wir die Pyramide begutachtet und die steile, gewundene Eingangstreppe inspiziert

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