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Amelia Peabody 12: Der Donner des Ra

Titel: Amelia Peabody 12: Der Donner des Ra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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Russell zu treffen. Er zuckte die Achseln und streckte lächelnd seine Hand aus. »Zeig mir die Noten.«
    »Wenn du es so genau nehmen willst –«
    »Ich möchte sie mir lediglich zuerst anschauen.« Er konnte Noten lesen, obwohl er kein Instrument spielte. Zunächst hatte ich mich gewundert, warum er sich der Mühe unterzog. Nach raschem Überfliegen verzog er die Lippen. »Es ist schlimmer als schmalzig, es ist genau die Art von romantischer Propaganda, die ich neulich erwähnte.«
    »Bitte, Ramses«, murmelte Katherine. »Die Atmosphäre ist so angenehm und ich bin schon seit langem nicht mehr in den Genuss eures gemeinsamen Gesangs gekommen.«
    Ramses’ zynisches Lächeln verschwand. »In Ordnung, Mrs Vandergelt. Wenn es Ihnen gefällt.«
    Ich hörte das Lied, das sehr populär werden sollte, zum ersten Mal. Mit keinem Wort erwähnte es den Krieg; doch der viel sagende Hinweis auf »die lange, lange Nacht des Wartens«, ehe die Liebespaare wieder im Land ihrer Träume lustwandeln durften, machte seine Botschaft besonders prägnant in jenen Tagen. Musik mag ein Werkzeug der Kriegsmaschinerie sein, kann dem gemarterten Herzen aber auch Trost spenden.
    Sie sangen es zweimal, doch als sich die zweite Darbietung ihrem Ende zuneigte, brach Ramses’ wohlklingende Stimme ab. »Verflucht, Nefret! Was soll das?«
    Sie schüttelte sich vor Lachen. »Tut mir Leid, ich wollte nicht so fest zutreten. Ich wollte lediglich verhindern, dass du alles verdirbst, indem du ins Falsett verfällst.«
    »Ein Schmerzensschrei ist passender?« Er rieb sich das Schienbein.
    »Ich habe doch gesagt, dass es mir Leid tut. Friede?«
    Sie streckte ihre Hand aus. Seine Lippen zitterten, dann lachte er ebenfalls und schlug ein.
    Die Tür sprang auf und Fatima stand auf der Schwelle. Sie hatte es versäumt, ihr Gesicht zu verschleiern, und hielt ein nachlässig gefaltetes Stück Papier in der Hand.
    »Es ist von Mr Walter.« Sie streckte es uns entgegen, als würde es ihr die Finger verbrennen.
    Woher wusste sie es? Oder wir anderen? O ja, die Furcht vor schlechten Nachrichten hatte logischerweise zur Folge, dass wir alle aufsprangen. Telegramme dienten in erster Linie der Übermittlung freudiger oder trauriger Nachrichten, und nach nur wenigen Kriegsmonaten hatten die englischen Haushalte gelernt, diese unscheinbaren Papierstreifen zu fürchten. Aber es war mehr als das, denke ich.
    Augenblicke später sank Katherine in ihren Sessel zurück, ihre Miene spiegelte unverhohlene Erleichterung und zugleich Beschämung darüber wider. Nachrichten von ihrem Sohn würde sie nicht über Walter erfahren. Bertie war unversehrt. Das Kind einer anderen Frau jedoch nicht.
    Schließlich war es mein geliebter Emerson, der zu Fatima trat und das Telegramm entgegennahm. Als er den Text überflog, verfinsterten sich seine Züge.
    »Wer von ihnen?«, erkundigte ich mich zaghaft. »Der kleine John.« Erneut blickte Emerson auf das Papier. »Durch einen Heckenschützen. Er war sofort tot und musste nicht leiden.«
    Nefret drehte sich zu Ramses und verbarg ihr Gesicht an seiner Schulter. Sanft, aber eher mechanisch legte er seinen Arm um sie. Sein Gesichtsausdruck war kalt und abwesend – vergleichbar mit Cheops’ Alabasterstatue. »Evelyn trägt es sehr gefasst«, fuhr Emerson fort. Er starrte weiterhin auf das Telegramm, als könnte er dessen Inhalt nicht begreifen.
    »Wie nicht anders zu erwarten«, warf Ramses ein. »Das ist Teil unseres Verhaltenskodexes, nicht wahr? Teil des Spiels, an dem wir alle beteiligt sind, wie die Märsche und die Lieder und die Hymnen. Er war sofort tot und musste nicht leiden. Süß und ehrenvoll ist es, für das Vaterland zu sterben.« Ramses ließ die Noten zu Boden fallen. Mit derselben Gleichgültigkeit fasste er Nefrets Hände und führte sie fürsorglich zu einem Sessel. Dann verließ er wortlos den Raum.
Aus Manuskript H
    Er sattelte Risha selbst und winkte dem verschlafenen Stallburschen ab. Mit der Sensibilität eines Menschen erahnte der prachtvolle Hengst die Stimmungen seines Herrn; sobald sie die Stallungen hinter sich gelassen hatten, lockerte Ramses die Zügel, und er rannte wie der Wind, wich vereinzelten Hindernissen wie Eseln oder Kamelen aus, ohne an Geschwindigkeit zu verlieren. Auf der Brücke und in der Stadt war mehr Verkehr, doch zu diesem Zeitpunkt hatte Ramses sich wieder besser unter Kontrolle. Er mäßigte Risha zum Schritttempo.
    Um halb zwölf erreichte er den Club. Zu früh für das Rendezvous, aber

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