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Amelia Peabody 12: Der Donner des Ra

Titel: Amelia Peabody 12: Der Donner des Ra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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setze, dass sie die Monumente bewahren und die Arbeit in meinem Sinne weiterführen. Ich wünsche mir von ganzem Herzen, dass unsere gemeinsame Freundschaft trotz der Verfeindung unserer beiden Nationen Bestand hat und dass jeder Wissenschaftler unseres Fachgebietes die klassische Maxime beherzigen möge: in omnibus caritas. (Anm. d. Ü.: In allen Dingen Nächstenliebe.)
    Dieser ergreifende Brief rührte mich zu Tränen. Wie betrüblich war es doch, dass die brutalen Pläne ehrgeiziger Männer sich über Logik, Emotion und wissenschaftliche Forschung hinwegsetzten! Selbst Emerson war tief bewegt von Junkers Schreiben, obschon er seine Gefühle verbarg, indem er jeden verfluchte, der ihm in den Sinn kam, angefangen mit dem Kaiser bis hin zu gewissen Mitgliedern der britischen Gemeinschaft in Kairo, für die Nächstenliebe ein Fremdwort war. Mit der Erlaubnis der Antikenverwaltung hatte er das ihm von Junker gereichte Zepter in die Hand genommen, und ich muss zugeben, dass mein tiefes Bedauern von der positiven Aussicht verdrängt wurde, endlich in dem für mich unermesslich faszinierenden Ausgrabungsgebiet tätig zu werden.
    Die Touristen, die Gizeh heutzutage besuchen, können sich unmöglich vorstellen, welch prachtvollen Anblick es vor viertausend Jahren bot: Die Seiten der Pyramiden waren mit einer Schicht aus glattem weißem Kalkstein bedeckt, ihre Spitzen vergoldet, die Tempel von farbenprächtigen Säulen flankiert; der mächtige Sphinx mit intakter Nase und Bart, sein Kopfschmuck bemalt mit roten und goldenen Streifen; und, rings um die Pyramiden, die kleineren Monumente, ihre Seiten ebenfalls mit matt glänzendem Kalkstein versehen. Das waren die Gräber von Prinzen und hohen Würdenträgern des Königshauses, ausgestattet mit Kapellen und Statuen und Grabbeigaben, welche die Seele des oder der Toten stärkten, die am Ende eines tiefen, in den Oberbau gehauenen Stollens in ihrer Sargkammer ruhten.
    Blieb nur zu hoffen, dass die Unsterblichkeit nicht von dem Fortbestand dieser Grabbeigaben oder dem physischen Zustand der Verblichenen abhing. Alles war verschwunden, und das schon seit Jahrhunderten – der Schmuck, die Ölkannen und die Ballen feinsten Leinens waren Horden von Grabräubern in die Hände gefallen, die Mumien der Toten auf der Suche nach Wertgegenständen zerstört. Im Laufe der Jahrtausende waren neben und manchmal auch über den Monumenten des alten Königreiches neue Grabstätten errichtet worden und das gesamte Gebiet lag unter Treibsand begraben; Dachquader waren herabgefallen, Wände eingestürzt. Die Überreste exakt zuzuordnen war selbst für einen erfahrenen Exkavator keine leichte Aufgabe, und ehe er mit seiner Arbeit beginnen konnte, musste er das jahrhundertealte Geröll beseitigen, das sich manchmal meterhoch angesammelt hatte.
    Junker hatte die Wände des Grabes im Vorjahr freigelegt, der Treibsand jedoch alles wieder zugeweht. Emerson hatte den Sand von den Mauern entfernen lassen, und die Männer waren damit beschäftigt, das Innere freizulegen. Einige Exkavatoren beseitigten dieses Geröll einfach, ohne es näher zu inspizieren, doch das war nicht Emersons Methode. Nachdem er entdeckt hatte, dass die Innenwände mit bemerkenswert gut erhaltenen Reliefs bemalt waren, bestand er darauf, dass ein provisorisches Dach über der Kammer errichtet wurde. Unwetter sind nichts Ungewöhnliches in Kairo und auch der Treibsand konnte die zarten Farben zerstören.
    Ich führte mein Pferd an den Kutschen, Kamelen, Karren und Kolonnen von Touristen vorbei zu unserer Ausgrabungsstätte, konnte jedoch nicht widerstehen, den einen oder anderen Blick auf die gewaltigen Ausmaße der Großen Pyramide zu werfen. Pyramiden ziehen mich magisch an. Es war herrlich, in der Nähe der mächtigsten von allen zu arbeiten und zu wissen, dass sie vorübergehend und im übertragenen Sinn mir gehörte! Allerdings hegte ich wenig Hoffnung, sie in unmittelbarer Zukunft zu erforschen. Emerson beabsichtigte, sich auf die Privatgräber zu konzentrieren. Außerdem war die CheopsPyramide eine der Hauptattraktionen für die Touristen, und es hätte sich schwierig gestaltet, dort ungestört zu arbeiten. Unsere eigene Exkavation befand sich so nah an deren Südseite, dass wir ständig umherstreifende Besucher verscheuchen mussten.
Aus Manuskript H
    Jedes Mal, wenn Ramses die Grabstätte betrat, empfand er Mitgefühl für den deutschen Archäologen, der diese gezwungenermaßen hatte aufgeben müssen. Den Schutt zu entfernen

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