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Amelia Peabody 12: Der Donner des Ra

Titel: Amelia Peabody 12: Der Donner des Ra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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lauschte, verzogen sich seine Mundwinkel unmerklich, und er schloss die Augen; als ich schließlich zu der Strophe gelangte, in der die Geliebte des toten Ritters »seinen blutbefleckten Kopf hebt«, ging sein Atem ruhig und gleichmäßig.
    Ich beugte mich über ihn und strich ihm die verschwitzten Locken aus der Stirn. Ich befand mich im Irrtum; er schlief noch nicht. Seine schweren Lider hoben sich.
    »Ich war ein blutrünstiges kleines Ungeheuer, nicht wahr?«
    »Nein«, erwiderte ich zögernd. »Nein! Du hast keinem lebenden Geschöpf etwas zuleide getan, nicht einmal einer Maus oder einem Käfer. Du hast dich ständig Gefahren ausgesetzt, um sie vor Verletzungen durch Katzen oder Jäger oder grausame Besitzer zu beschützen. Das machst du auch jetzt, oder? Du setzt dich Gefahren aus, um Leute …« Es hatte keinen Sinn, mir versagte die Stimme. Lächelnd drückte er meine Hand.
    »Keine Sorge, Mutter. Es ist alles in Ordnung, weißt du.«
    Die Tränen, die ich mühsam unterdrückt hatte, schossen mir in die Augen, und ich weinte wie seit Abdullahs Tod nicht mehr. Ich sank auf die Knie, presste mein Gesicht in die Laken, um mein Schluchzen zu unterdrücken. Ungeschickt tätschelte er meinen gesenkten Kopf, was einen weiteren Weinkrampf auslöste.
    Als meine Tränen versiegten, hob ich den Kopf und bemerkte, dass er eingeschlafen war. Das gedämpfte Licht milderte seine markanten Züge und die energische Kinnpartie; mit der neben ihm auf dem Kissen zusammengerollten Katze erinnerte er mich an den kleinen Jungen, der er noch vor wenigen Jahren gewesen war.
    Ich verharrte auf dem Bettrand, als der Schlüssel im Schloss gedreht wurde und Emerson hereinschlüpfte. »Alles ruhig«, flüsterte er. »Kein Anzeichen von irgendwelchen Störenfrieden.«
    »Gut.«
    Er durchquerte den Raum, stellte sich hinter mich und legte seine Hände auf meine Schultern. »Hast du geweint?«
    »Ein bisschen. Recht ausgiebig, um ehrlich zu sein. Ich weiß nicht, ob ich das ertragen kann, Emerson. Vermutlich sollte ich daran gewöhnt sein, nach all den Jahren mit dir, aber er stellt sich Gefahren noch leichtsinniger als du. Warum muss er solche Wagnisse eingehen?«
    »Wäre es dir anders lieber?«
    »Ja! Ich wünschte, er verhielte sich vorsichtiger – überlegter – würde Gefahren meiden –«
    »Kurz gesagt, anders, als er in Wahrheit ist. Wir können seinen Charakter nicht ändern, mein Schatz, selbst wenn wir es wollten. Deshalb sollten wir uns der Überlegung widmen, wie wir ihm helfen können. Was hast du dem Brandy beigemischt?«
    »Veronal. Emerson, er darf morgen nicht aufstehen und schon gar nicht in der Grabstätte arbeiten.«
    »Ich weiß. Ich werde mich auf die Suche nach David machen.«
    »David.« Ich rieb meine schmerzenden Augen. »Ja, natürlich. David ist hier, nicht wahr? Auf diese Weise ist es Ramses gelungen, heute Abend an zwei Orten gleichzeitig aufzutauchen. David war im Shepheard’s und Ramses …
    Entschuldigung, Emerson, ich bin etwas langsam. Welche Rolle hat er gespielt?«
    »Denk darüber nach, meine Liebe.« Er drückte meine Schultern. »Du bist zwar etwas angespannt, trotzdem bezweifle ich nicht, dass du auf Grund deiner schnellen Auffassungsgabe zu den gleichen Schlüssen gelangen wirst wie ich. Ich kann nicht bleiben, wenn ich David noch vor morgen früh holen soll.«
    »Weißt du, wo er ist?«
    »Ich denke schon. Ich werde mich beeilen. Versuch, dich etwas auszuruhen.«
    Er zog meinen Kopf zurück und küsste mich. Als er zur Tür strebte, war sein Gang so beflügelt wie schon seit Wochen nicht mehr, und als er sich lächelnd zu mir umdrehte, hatte ich den Emerson vor mir, den ich kannte und liebte, mit leuchtenden Augen, gestrafften Schultern, entschlossener Miene. Mein geliebter Emerson war wieder er selbst, berauscht von der Gefahr, angespornt von neuem Tatendrang!
    Die Nacht zog sich dahin. Ich saß reglos, den Kopf an die Sessellehne gelegt, doch an Schlaf war nicht zu denken. Es passte zu Emerson, diese liebenswerte Herausforderung an mich zu stellen, so dass ich mein Gehirn anstrengte, statt trübsinnig zu grübeln. Und sobald ich mich verstandesmäßig mit dem Problem auseinander setzte, war die Antwort natürlich offensichtlich.
    Die Sache, an der Ramses sich gegenwärtig beteiligte, war von langer Hand und in Zusammenarbeit mit irgendeinem hohen Tier von der Regierung geplant worden. Es hätte einen Mann wie Kitchener erfordert, um den Betrug zu genehmigen und zu initiieren, dass anstelle

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