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Amelia Peabody 12: Der Donner des Ra

Titel: Amelia Peabody 12: Der Donner des Ra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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bezweifelte ich zwar sehr, konnte ihm aber unmöglich die Nase zuhalten und das Laudanum einflößen. Ich goss einen Brandy ein, und Emerson half Ramses, sich aufzusetzen.
    Kaum hatte er das Glas in der Hand, hörte ich Schritte in der Eingangshalle.
    »Hölle und Verdammnis!«, zischte ich, denn ich kannte diese leichten, flinken Schritte. »Emerson, hast du die Tür –«
    So überstürzt, wie er zur Tür hechtete, wurde deutlich, dass er es versäumt hatte abzuschließen. Wenn es sein muss, bewegt Emerson sich wie ein Panther, aber diesmal war er zu langsam. Allerdings gelang es ihm, hinter die Tür zu springen, als diese aufgerissen wurde.
    Nefret stand auf der Schwelle. In dem vom Gang einfallenden Licht erstrahlte ihre Gestalt wie die einer Märchenprinzessin, der Schmuck in ihrem Haar und an ihren Armen funkelte, die Chiffonröcke ihres Kleides umwehten sie wie zarte Nebelschleier. Ich war geistesgegenwärtig genug, das hässliche Beweisstück unserer Aktivitäten unter das Bett zu schieben. Der Geruch von Blut und Antiseptika wurde von einer intensiven Brandywolke überlagert. Ramses war bis zum Kinn unter die Bettdecke geschlüpft, mit Ausnahme des Arms, der das Glas hielt. Die Hälfte des Inhalts ergoss sich über das Laken.
    »Wie nett von dir vorbeizuschauen«, murmelte er mit spöttisch verzogenen Lippen. »Du hast Mutters Vortrag über den Teufel Alkohol verpasst, aber du kommst gerade noch rechtzeitig, um die Schüssel zu halten, während ich mich übergebe.«
    Sie stand so reglos, dass nicht einmal die Ringe an ihrer Hand funkelten. Dann drehte sie sich um und rauschte davon.
    Erst als wir das Zuschlagen ihrer Tür vernahmen, wurden wir erneut aktiv. Emerson schloss Ramses’ Zimmertür und drehte den Schlüssel um. Ramses leerte den restlichen Brandy und ließ seinen Kopf auf die Kissen sinken. »Danke, Mutter«, seufzte er. »Du brauchst nicht hier zu bleiben. Geh zu Bett.«
    Selbstverständlich ignorierte ich die Aufforderung. Auf die Schüssel mit den blutdurchtränkten Sachen deutend, erklärte ich: »Schaff sie fort, Emerson – ich überlasse es dir, ein sicheres Versteck zu finden. Dann machst du die Runde und –«
    »Ja, meine Liebe, du brauchst nicht deutlicher zu werden.« Seine Hand streifte mein Haar.
    Sobald die Tür ins Schloss fiel, öffnete Ramses die Augen. »Weißt du, eigentlich hasse ich diesen verfluchten Krieg«, meinte er viel sagend.
    »Warum machst du dann so etwas?«
    Nervös wälzte er seinen Kopf auf dem Kissen. »Es ist nicht immer einfach, sich zwischen Richtig und Falsch zu entscheiden, oder? Viel häufiger lautet die Alternative: besser oder schlechter … und manchmal … manchmal ist die Trennungslinie haarfein. Trotzdem muss man seine Wahl treffen. Man kann seine Hände nicht in Unschuld waschen und anderen das Risiko überlassen … einschließlich des Risikos, sich zu irren. Es gibt immer ein Besser … oder Schlechter … Ich rede Unsinn, nicht wahr?«
    »Für mich ergibt es sehr wohl einen Sinn«, erwiderte ich sanft. »Aber du brauchst Ruhe. Kannst du nicht schlafen?«
    »Ich werde es versuchen.« Für Augenblicke schwieg er. Dann sagte er: »Als ich klein war, hast du mich immer in den Schlaf gesungen. Erinnerst du dich?«
    »Ja.« Ich musste mich räuspern, bevor ich fortfuhr. »Ich hatte immer den Verdacht, dass du dich schlafend stelltest, um meinen Gesang nicht länger ertragen zu müssen. Singen gehört nicht zu meinen herausragenden Talenten.«
    »Mir hat es gefallen.«
    Seine Hand lag auf der Bettdecke, die Handfläche nach oben wie die eines Bettlers, der um Almosen bittet. Als ich sie nahm, umklammerten seine Finger die meinen. Meine Kehle war wie zugeschnürt, so dass ich weder reden noch singen konnte. Doch die eiserne Selbstdisziplin, die ich mir über die Jahre angeeignet hatte, kam mir zu Hilfe; meine Stimme klang ruhig, wenn auch nicht sonderlich musikalisch.
    »Es saßen drei Raben auf einem Baum wiegten sich hin, wiegten sich her …«
    Diese alte Ballade hat zehn endlose Strophen, ist aber nicht, wie ein Unkundiger vielleicht vermutet, ein hübsches kleines Liedchen über unsere gefiederten Freunde. Sobald er alt genug war, um sich seine Meinung zu dem Thema zu bilden, hatte Ramses mir mitgeteilt, dass er Schlaflieder langweilig finde, und härtere Sachen verlangt. Eine solche Reaktion war vielleicht nicht unnormal für ein Kind, das mit Mumien aufwuchs; trotzdem würde ich unumwunden zugeben, dass Ramses kein normales Kind war.
    Während er

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