Amelia Peabody 13: Der Herr der Schweigenden
ausgestellt«, konterte Cyrus. »Heiliger Strohsack, Emerson, alles, was ich will, ist ein Grab – ein lohnenswertes Grab. Ist das zu viel verlangt?«
Die Sonne stand bereits hoch am Himmel, als sie sich in der Senke vor einem unvollendeten Grab niederließen und den Proviantkorb öffneten.
»Das war heute genug für Sie, Bertie«, verkündete Emerson.
»Ich fühle mich hervorragend, Sir«, protestierte Bertie.
»Selbstverständlich.« Emerson grinste väterlich. »Aber es ist ein langer Rückritt und Sie dürfen sich nicht übernehmen. Morgen ist auch noch ein Tag.«
Daoud erbot sich, Bertie nach Hause zu begleiten, aber Emerson hatte eine andere Idee. Nach ihrem Picknick schickte er Bertie mit Jamil und Jumana nach Hause.
»Die sind wir los«, brummte er und holte seine Pfeife hervor. »Jetzt können wir zum Geschäftlichen übergehen.«
»Wird ihm auch nichts passieren?«, fragte Ramses, den Blick auf die kleine Gruppe geheftet, die sich den Weg über die Talsohle zum Ausgang bahnte.
»Sie wird auf ihn Acht geben«, meinte Emerson. »Pack zusammen, Selim, wir brechen auf.«
»Wohin?«, erkundigte sich Ramses.
»Was meinst du?«
»Deir el-Medine?«
»Sehr gut«, lobte Emerson.
»Habt ihr diesen Mann mit Namen Kuentz in Verdacht?«, fragte Selim, dieweil er Porzellan und Essensreste achtlos in den Korb warf. Offenbar hatten Cyrus und Emerson ihm die Feinheiten der Archäologie noch nicht nahe gebracht.
»Ja, ich denke, er ist unser Mann«, erwiderte Emerson.
»Die zerbrochene Stele, die Sennia gefunden hat«, warf Ramses ein.
»Sehr gut, mein Junge«, lobte sein Vater.
»Das verstehe ich nicht«, murmelte Cyrus abwesend.
»Der unter Teil war bereits abgeschlagen worden«, erklärte Ramses. »Es war eine frische Bruchstelle. Name und Titel des Besitzers fehlten. Deshalb dauerte es eine Weile, bis mir einfiel, wo ich solche Stelen schon einmal gesehen hatte. In den fraglichen Fällen wurden die Besitzer als Arbeiter an der Stätte der Wahrheit beschrieben – also im Tal der Könige. Die Männer, die die Königsgräber bauten und schmückten, lebten in Deir el-Medine.«
Emersons Pfeife war ausgegangen. Er lächelte Ramses aufmunternd zu und entzündete ein Streichholz.
»Die Stele lag vorsätzlich dort«, fuhr Ramses fort.
»Aber nicht nur um unser Interesse darauf zu lenken – Vater hätte vielleicht darauf bestanden, den ganzen verfluchten Schutthaufen abzutragen, was den Rest der Saison in Anspruch genommen hätte.«
»Deine Mutter hätte mich nicht gelassen.« Sein Vater grinste.
»Darf ich meine Überlegungen zu Ende führen, Vater? Der Fund sorgte auch dafür, dass Sennia sich für den Schuttabladeplatz zu interessieren begann, worauf sich der Entführer leichter an sie heranpirschen konnte. Gleichwohl ist das kein Beweis für Kuentz’ Schuld.«
»Pah«, schnaubte Emerson.
»Er war derjenige, der euch zu der Stelle schickte, wo der Felsbrocken hinunterstürzte«, gab Cyrus zu bedenken.
»Und der Tote. Ich denke, ich habe die Erklärung, warum …«
»Ich auch«, sagte Emerson. »Der arme Teufel war ein harmloser Passant, der sich leider zur falschen Zeit am falschen Ort aufhielt.«
»Ja, Sir, ich stimme dir zu. Aber selbst wenn wir Recht haben, belastet es nicht zwangsläufig Kuentz.«
»Dann lasst uns gehen und ihn zu einem Geständnis bewegen«, schlug Daoud vor. »Er hat versucht, der kleinen Taube Schaden zuzufügen.«
»Gut gesagt, Daoud.« Emerson klopfte seine Pfeife aus und erhob sich.
»Wir wissen nicht, ob er schuldig ist«, räumte Ramses ein. »Überlass die Fragen uns, Daoud.«
»Selbstverständlich«, erwiderte Daoud.
Nach der Übergabe von Schlüsseln und Trinkgeld an den Aufseher ritten sie zwischen den zerklüfteten, von der Sonne ausgebleichten Klippen zur Straße und nahmen den Abzweig, der zum Dorf der Arbeiter führte.
»Eine persönliche Sache noch, Ramses«, sagte Emerson. Die anderen blieben höflich zurück.
»Ja, Sir?«
»Klang ich gönnerhaft?«
»Ja, Sir.«
»Alte Gewohnheit. War keine Absicht.«
»Das geht schon in Ordnung, Sir.« Es klang mehr nach Exkulpation als von ihm beabsichtigt und war vielleicht auch mehr, als er verdiente. Er setzte hinzu: »Ich hätte nicht so defensiv reagieren dürfen.«
»Du verbiegst dich, weil du gerecht bleiben willst. War Kuentz nicht vor Jahren einer von Nefrets Verehrern?«
»Doch, Sir.«
»Ist er es noch?«
»Verflucht, Vater …«
»Eifersucht«, wandte sein Vater ein, »wirkt sich auf die
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