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Amelia Peabody 14: Die goldene Göttin

Titel: Amelia Peabody 14: Die goldene Göttin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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seinen Ohren. Er versuchte das Teeglas abzustellen. Es kippte um, der restliche Tee ergoss sich auf dem Boden. »War das wirklich nötig?«, lallte er.
    »Eine Lektion, die Sie wohl noch nicht gelernt haben«, erwiderte Sahin gönnerhaft. »Vertrauen Sie nie auf das Wort eines anderen. Und jetzt seien Sie ein guter Junge. Ich möchte Ihnen nur ungern wehtun.«
    Er klatschte in die Hände. Zwei Männer betraten den Raum. »Sachte, sachte«, beschwichtigte Sahin, als sie Ramses auf die Füße stellten und untergehakt aus dem Raum schleiften, ein paar Stufen hinauf und wieder hinunter, durch ein Gewirr von Zimmern und Gängen, typisch für solche Bauten. Undeutlich gewahrte er starrende Gesichter, schemenhaft wie Geister, und leises Gemurmel. Irgendwann führten sie ihn über eine lange Treppenflucht, und ihm schlug der Geruch von feuchtem Gestein, Schimmel und süßlicher Verwesungsgestank entgegen.
    Drei massive, eisenbeschlagene Holztüren säumten den kurzen Gang. Zwei waren geschlossen. Sie brachten ihn in den dritten Raum, ein gemauertes Loch, kaum vier Quadratmeter groß. Die Knochen irgendwelcher Nager und eine dünne, modrige Strohschicht bedeckten den Boden. In der Zelle befanden sich eine grob gezimmerte Holzbank, einige Tonkrüge und mehrere in Wand und Boden getriebene Ketten. In einvernehmlichem Schweigen, so als hätten sie diese Prozedur schon viele Male vollzogen, drückten die beiden Wachen Ramses auf die an einer Wand stehende Bank. Zu benommen, um aufrecht zu sitzen, kippte er vornüber; einer von ihnen musste ihn festhalten, während der andere Ramses’ Arme hob und die Ketten um seine Handgelenke legte. Sie ketteten auch seine Füße an, dann gingen sie.
    »Puh.« Sahin Pascha rümpfte die Nase. »Es ist noch übler als in meiner Erinnerung. Dieses Haus ist nur vorübergehend gemietet, von einem meiner Kollegen; meine eigenen Kerker sind wesentlich zivilisierter. Ich komme morgen Früh wieder, vielleicht ändern Sie Ihre Meinung.«
    Er schlang seine eleganten Gewänder fester um sich, damit sie nicht die bemoosten Wände berührten, und entfernte sich. Die Tür fiel ins Schloss. Die Scharniere knarrten entsetzlich. Wie sollte es auch anders sein.
    Ramses saß mit gesenktem Kopf, atmete langsam und gleichmäßig, um eine drohende Übelkeit abzuwenden. Allmählich bekam er seinen Magen unter Kontrolle und fühlte sich wieder besser. Vorsichtig testete er die Ketten. Die Eisenmanschetten waren schlicht zugeschnappt, vermutlich ließen sie sich ohne Schlüssel öffnen, aber seine Hände waren einen Meter voneinander entfernt, und jede Kette nicht einmal zwanzig Zentimeter lang. Eine Weile beschäftigte er sich damit, mit den Ketten gegen die Steinmauer zu schlagen und zu schaben, rieb sich dabei indes nur seine Fingerknöchel wund.
    Er lehnte sich zurück, übermannt von einem plötzlichen Abscheu, das glitschige Gestein zu berühren. Seine Mutter hätte noch einige andere Adjektive hinzugefügt – hart, kalt, feucht, modrig, voller neugieriger Insekten, die nur darauf warteten, eine neue Nahrungsquelle aufzuspüren. Einige von ihnen umlagerten bereits seine Füße. Er grinste bitter. Seine Mutter würde ihn in ihrer schroffen Art auch darauf hinweisen, dass er diesmal ganz schön in der Klemme steckte. Keine Waffen, keine nützlichen Werkzeuge, versteckt in seinen Stiefeln oder Kleidungsstücken. Sie hatten sogar das Stilett gefunden, das er unter einem schmutzigen Unterarmverband versteckt hatte. Und das alles für nichts und wieder nichts. Er war nicht klüger als zuvor, was die Identität des »heiligen Ungläubigen« betraf.
    Er schloss die Augen und stellte sich erneut das bärtige Gesicht mit der aristokratischen Nase vor. Sein visuelles Erinnerungsvermögen war hervorragend, für eine eindeutige Identifikation hatte er indes nicht genug gesehen. Die ungezählten Male, wo er seinen umtriebigen Onkel nicht erkannt hatte, bewiesen ihm, dass ein kurzer Blick nicht genügte. Er war davon ausgegangen, Ismail länger beobachten zu können, irgendeine vertraute Geste oder Bewegung wahrzunehmen, seine Stimme zu hören. Der Mann hatte unter strenger Bewachung gestanden, aber vielleicht war es auch nur eine Ehrengarde gewesen. Sahin hatte eigentlich nichts bestätigt oder dementiert, sondern sich nur höchst vage über Überläufer ausgelassen. Ramses hatte eine schlaflose Nacht und einen anstrengenden Tag hinter sich. Er fiel in eine Art Dämmerschlaf und schrak von dem Druck der Eisenbügel gegen

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