Amelia Peabody 14: Die goldene Göttin
ein Bajonett anbringen soll oder vielleicht einen Piratenhaken.«
Lachend klopfte ich ihm auf die Schulter. »Großartige Idee.«
»Oder einen Schirm«, versetzte Sir Edward. Sein Lä cheln war wieder das des weltmännischen Charmeurs, als den ich ihn kennen gelernt hatte.
An dieses Lächeln sollte ich mich noch lange Zeit erinnern. Als ich nach einem kurzen, aber erholsamen Nickerchen aufwachte, war er fort – aus dem Haus und über alle Berge und, wie ich fürchtete, erneut in dem Pulverfass Gaza.
Um ebendies zu begreifen, brauchte ich eine ganze Weile. Ich hatte mich für einen der Diwane entschieden, statt mir die Mühe zu machen, ein Bett zu beziehen, das ich, sollten sich die Ereignisse überstürzen, vielleicht gar nicht würde benutzen können. Als ich kurz bei Esin vorbeischaute, fiel ich fast über Selim, der auf ihrer Schwelle ausgestreckt lag. Ich ließ ihn dort liegen und ging zurück in den Salon. Ramses und Nefret schlummerten Seite an Seite, eng umschlungen, ihr Kopf an seiner Schulter. Für Augenblicke betrachtete ich die beiden. Schließlich blinzelte Ramses und sah mich fragend an.
»Alles in Ordnung«, berichtete ich, auf Zehenspitzen zu Emersons Schlafstätte strebend.
Ich wollte nicht länger als eine Stunde schlafen, doch während ich mich ausruhte, verdüsterte sich der Himmel, und das gleichförmige Plätschern des Regens muss mich eingelullt haben. Es war das Geräusch schwerer Schritte, das mich aufweckte – das hastige Hin- und Herlaufen eines nervösen Individuums. Ich setzte mich ruckartig auf und griff in die erstbeste Jackentasche. Es war die falsche.
Ich wühlte in der anderen, bemüht, meine kleine Pistole zu lokalisieren, als ein Mann hereinplatzte und abrupt stoppte. Er atmete schwer, Wasser tropfte aus seiner durchnässten Kleidung.
Emerson schlug maulend um sich, wie stets, wenn er plötzlich geweckt wird, aber Ramses war auf den Beinen, hellwach und kampfbereit. Der Ankömmling, zu atemlos, um zu reden, hielt seine leeren Hände hoch. Ich konnte ihn nicht genau erkennen, im Zimmer war es ziemlich dunkel. Trotzdem kannte ich ihn.
»Na endlich«, entfuhr es mir. »Es ist alles in Ordnung, Ramses.«
»Nein – ist – es – nicht«, erwiderte Sethos stockend.
»Wo – ist -Edward?«
»Ist er denn nicht hier?«, fragte ich.
»Nein.«
Emerson hatte seine fünf Sinne endlich wieder beisammen. »Du bist es, nicht wahr?« Er blinzelte in die Dunkelheit. »Wurde auch verdammt höchste Zeit.«
»Könnte verdammt schon zu spät sein«, keuchte Sethos. »Hat Edward gesagt, wohin er –«
»Wir haben nicht einmal mitbekommen, wann er gegangen ist«, erwiderte ich. »Bitte beruhige dich, damit wir gezielt nachdenken können.«
»Und zieh diese nassen Sachen aus«, warf Nefret ein. »Was, hier und jetzt?«
Ramses hatte mehrere Lampen angezündet. Die Schultern gestrafft, versuchte Sethos den Eindruck zu erwecken, dass er Herr der Lage wäre, indes gab er eine erbärmliche Figur ab, in seiner klatschnassen Kleidung und mit tropfendem Bart.
»Eine Erkältung kann die Malaria verschlimmern«, sagte Nefret ruhig. »Zieh dich sofort aus. Ich werde Mustafa bitten, Tee zu bringen.«
»Und etwas zu essen«, rief ich ihr nach, als sie aus dem Zimmer hastete.
»Und etwas zum Anziehen«, seufzte mein Schwager resigniert. Er nahm das nasse Turbantuch und den Fez ab, um den er Ersteres gewickelt hatte. »Weiter gehe ich nicht, Amelia, solange du im Raum bist.«
Auch wenn ich gespannt war auf die längst fällige Diskussion -etliche Fragen harrten ihrer Antworten –, hatten die physischen Bedürfnisse doch Vorrang. Sethos hatte Malaria gehabt, und ein weiterer Anfall wäre extrem unangenehm.
»Komm mit«, wies ich ihn an und ging voraus. Selim, der noch immer wie hingegossen auf der Schwelle des Mädchens lag, wachte bei unserem Auftauchen auf – kein Wunder bei dem harten Boden. Er sprang auf, nestelte nach seinem Messer.
»Er ist ein Freund, Selim«, erklärte ich. »Vielleicht bist du so freundlich, ihm beim Umziehen zu helfen.«
»Verdammt, ich brauche keinen Kammerdiener«, schnaubte Sethos.
»Selim ist kein Kammerdiener. Du brauchst Hilfe, und die sollst du bekommen. Folgt mir, beide.«
Ein riesiger Schrank in dem anderen Schlafzimmer enthielt reichlich Garderobe, von Abas und Galabiyas bis hin zu einem gefälligen Tweedanzug, den Sethos sich im Vorjahr von Ramses geliehen hatte. Ich überließ sie sich selbst und kehrte in den Salon zurück. Mustafa hatte ein ziemlich
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