Amelia Peabody 15: Der Herr des Sturms
dass die andere Dame mich erwarte. Ich durfte nicht auf das Hausboot. Maryam kam mit ihrer armseligen Habe, und dann sind wir gegangen.«
»Dann hast du Justin nicht gesehen?«
»Nur kurz, als er um eine Kabinentür spähte. Wenigstens nehme ich an, dass er es war; auf mich wirkte er wie ein verängstigtes Tier, deshalb habe ich so getan, als hätte ich ihn nicht gesehen.«
»Welche Karte hast du abgegeben?«, wollte ich wissen.
»Die von Major Hamilton natürlich. Ich habe immer eine ganze Sammlung bei mir.«
»Haha«, wieherte Emerson. »Die Vandergelts wissen um deine wahre Identität.«
»Schätze, ich werde ihnen nicht aus dem Weg gehen können«, seufzte Sethos.
»Ich glaube nicht, dass du Luxor so bald wieder verlassen kannst«, versetzte ich. »Die Vandergelts veranstalten am Sonntag eine Soiree, und Selim erwartet, dass du morgen mit zu seiner Fantasia kommst.«
Sethos stöhnte. »Muss ich?«
»Du klingst wie Emerson.« Im Stillen fragte ich mich, ob er mich bewusst verärgern wollte. »Ich halte es für sinnvoll, so zu tun, als sei dies ein ganz normaler Besuch eines alten Bekannten. Deine Neigung, bizarr kostümiert wie ein Hexenmeister rein- und rauszurauschen, macht alles nur schwieriger.«
»Aber auch wesentlich spannender, liebste Amelia.«
Wir ließen uns Fatimas ausgezeichnetes Abendmenü schmecken, waren guter Dinge, und selbst Sethos zeigte sich von seiner besten Seite. Ich wollte eben vorschlagen, in den Salon zu wechseln, als ein Besucher angekündigt wurde. Ich hatte schon halbwegs mit ihm gerechnet, da in Luxor nichts geheim bleibt.
»Führen Sie Mr. Vandergelt in den Salon«, bat ich Gargery. »Und sorgen Sie dafür, dass reichlich Whisky vorhanden ist.«
Cyrus begrüßte uns zwar höflich, doch in seiner Stimme schwang ein leiser Vorwurf.
»Hab mir schon gedacht, dass Sie das waren in dem Flugzeug.« Er schüttelte Sethos die Hand. »Ich wäre schon eher vorbeigekommen, aber mir hat ja keiner was gesagt. Was haben Sie als Nächstes vor, einen Elefantenritt?«
»Whisky, Cyrus?«, schaltete ich mich ein.
»Ich bitte darum. Danke.« Er zupfte an seinem Spitzbart und musterte mich vorwurfsvoll. »Wie kommt’s, dass ich alles aus zweiter Hand erfahre? Leute, traut ihr mir etwa nicht mehr?«
»Äh, hmpf«, brummelte Emerson, geschäftig mit den Karaffen hantierend. »Die Sache ist so … ähm …«
»Wir hatten keine Zeit«, half Nefret ihm. Sie setzte sich neben Cyrus auf einen Hocker und legte ihre Hand auf seine. »Sie haben von der Identifizierung des Skeletts gehört? Seien Sie uns bitte nicht böse, Cyrus. Wir hätten Sie umgehend informiert, wenn wir den Prinzessinnen-Schmuck gefunden hätten.«
»Sie halten mich bestimmt für egoistisch«, murmelte Cyrus. »Der arme Teufel, liegt die ganze Zeit mausetot in der Wildnis, und ich denke das Schlimmste von ihm …«
»Die Enthüllung ändert nichts an der Sachlage und an Ihrer Einschätzung von Martinelli, Cyrus«, erwiderte ich. »Er hat die Juwelen an sich genommen, daran besteht kaum Zweifel, und auch wenn wir sein Motiv vielleicht nie erfahren werden, hatte er ohne Ihre Einwilligung kein Recht dazu.«
»Sind Sie sicher, dass er es war? Wo hat man ihn gefunden?«
»Sollten Sie sich mit dem Gedanken tragen, das fragliche Gelände genauer zu erforschen, kann ich Ihnen nur abraten«, wandte Ramses ein. Genau wie ich hatte er die archäologische Besitzgier in Cyrus’ Augen aufflackern sehen. »Glauben Sie mir, Cyrus, ich hätte es längst getan, wenn ich die Spur einer Chance gewittert hätte, die Juwelen dort zu finden. Es war Martinelli, ganz klar, aber selbst wenn es kein Raubmord gewesen wäre, dann hätten die Männer, die den Leichnam fanden, sämtliche Weitgegenstände mitgehen lassen.«
Cyrus wusste, dass Ramses Recht hatte, gab aber die Hoffnung nicht so schnell auf. Er löcherte uns mit Fragen und stellte Theorien auf. Zuletzt wandte er sich an Sethos.
»Können Sie nicht irgendwas tun?«
Sethos’ Mundwinkel zuckten kaum merklich. »Ziemlich unproduktiv, mit einem Meisterverbrecher befreundet zu sein, wenn der einem nicht unter die Arme greifen kann, was?«
»So habe ich das nicht gemeint …«, stammelte Cyrus.
»Nichts für ungut. Sie haben schließlich Recht. Ich werde weitere Nachforschungen anstellen, aber versprechen Sie sich nicht zu viel.«
»Ich weiß Ihr Angebot zu schätzen.« Cyrus schien neue Hoffnung zu schöpfen. »Und jetzt mache ich mich besser auf den Heimweg. Tut mir Leid, dass ich so
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