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Amelia Peabody 15: Der Herr des Sturms

Titel: Amelia Peabody 15: Der Herr des Sturms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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und bei ihm bleiben wollen. Bei der Erinnerung wurde ihm ganz anders; sie war so schutzbedürftig, so blutjung gewesen! Das war jetzt vier Jahre her – oder vielleicht fünf? Sie sah nicht viel älter aus als damals, allerdings hatten sie von gemeinsamen Bekannten erfahren, dass sie verheiratet sei. Was war mit dem reichen amerikanischen Göttergatten passiert? Was machte sie allein am Westufer, und wer war der Mann, der sie tätlich angegriffen hatte? Ramses beschloss, das Aushorchen seiner Mutter zu überlassen. Er hatte keine Lust, diesem Nervenbündel auf den Zahn zu fühlen. Eine letzte Frage wollte er aber noch riskieren.
    »Was wolltest du eigentlich am Westufer?«, erkundigte er sich betont beiläufig.
    »Justin.« Behutsam wischte sie sich das Gesicht, entfernte die letzten Make-up-Reste und Tränen. »Er ist François heute Nachmittag entwischt. Ich dachte, er könnte über den Fluss gesetzt haben. Er hat immerzu von irgendwelchen Tempelruinen gefaselt und dass er euch bei der Exkavation zusehen will. Also war ich im Ramesseum und wollte nach Deir el-Bahari, als …«
    »Es ist vorbei«, beschwichtigte Ramses. »Ich kümmere mich um den Jungen. Du machst dich bei uns ein bisschen frisch und dann bringe ich dich über den Fluss. Wenn er noch nicht wieder aufgetaucht ist, werde ich dir bei der Suche helfen.«
    »Sie wird wütend sein«, murmelte sie, ihren Kopf entspannt an seine Brust gelehnt.
    »Mrs. Fitzroyce? Es war nicht deine Schuld. Wir werden ihn finden, versprochen.« Er redete weiter auf sie ein, denn seine sachliche Art schien sie zu beruhigen. »Meinst du, er ist bei uns? Neulich hat er irgendwas davon gesagt, dass er uns besuchen will.«
    Er erhielt keine Antwort und fragte sich unbehaglich, ob sie wohl ohnmächtig geworden sei. Sie war schlaff wie eine Stoffpuppe, ihr Gesicht an seiner Schulter vergraben. Er verstärkte seinen Griff.

    Sie waren alle auf der Veranda: Erwachsene, Kinder, Katzen – und eine schmächtige Gestalt in braunem Tweed, deren heller Schopf wie ein Heiligenschein erstrahlte. »Und, was hab ich gesagt?«, triumphierte Ramses. »Er ist bei uns. Unversehrt und guter Dinge.«
    Die Familie hatte sich an exzentrische Auftritte gewöhnt, sein Auftauchen mit einer bewusstlosen Frau in den Armen war allerdings so frappierend, dass alle zu ihm starrten. Nefret, die nach ihm Ausschau gehalten hatte, war als Erste an der Tür, gefolgt von seinen Eltern.
    »Was ist passiert?«, wollte Nefret wissen. »Wer ist diese Frau?«
    Seine Mutter antwortete für ihn. »Mrs. Fitzroyces Gesellschafterin, wenn ich nicht irre. Ich erinnere mich recht gut an dieses – ähm – Kleid. Ist sie verletzt?«
    »Nicht ernstlich, Mutter. Kann sie mal jemand nehmen? Ich glaube, sie ist ohnmächtig.«
    »Nein.« Die schlanke Gestalt straffte sich. Sie drehte den Kopf, sah zu ihm auf. Einmal abgesehen von den grau melierten Haaren sah sie nicht älter aus als vierzehn. Die Tränen waren getrocknet, ihre Miene verriet Anspannung, aber auch Resignation. »Bitte, lass mich runter.«
    Sein Vater streckte die Arme nach ihr aus. »Darf ich Ihnen behilflich sein, Miss – äh –«
    »Du wirst dich wundern, Vater«, warnte Ramses.
    »Gütiger Himmel«, rief Emerson. Er ließ sie sanft zu Boden und starrte sie an. »Das ist doch nicht etwa Miss – äh – Sie kommt mir irgendwie bekannt vor. Also wie …«
    »Molly«, meinte seine Frau gelinde erstaunt. Unbeeindruckt fuhr sie fort: »Und, ich glaube, Miss – äh – nun ja. Darf man fragen … Aber vielleicht nicht jetzt. Mir scheint, Sie hatten einen kleinen Unfall. Bitte, kommen Sie mit mir.«
    Ihren Kopf gesenkt, ließ Molly sich ins Haus führen. Ramses schaute zu seiner Frau. »Was zum Teufel …«, setzte sie an.
    »Deine Ausdrucksweise«, krittelte Ramses. »Komm rein und schließ die Tür. Davy, nein!«
    Er schnappte sich den Kleinen, bevor dieser verschwinden konnte, und trug ihn zurück.
    »Tja«, meinte Emerson. »Ist das eine Überraschung. Was macht sie denn hier?«
    »Sie ist die Reisebegleiterin von Mrs. Fitzroyce«, antwortete Ramses ihm. »Sie war am Westufer, weil sie Justin gesucht hat.«
    Der Junge grinste unbekümmert. »Aber sie hat mich nicht gefunden. Bin ich froh. Ich hatte eine schöne Zeit mit meinen Freunden und der bezaubernden Mrs. Emerson.«
    Ramses hob an: »Sie sollten sich …« Er stockte. Es stand ihm nicht zu, den Jungen zurechtzuweisen. »Ich möchte bitte noch eine Tasse Tee«, bat Justin höflich. »Und Evvie hätte gerne

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