Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Amelia Peabody 16: Wächter des Himmels

Titel: Amelia Peabody 16: Wächter des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
Vom Netzwerk:
nicht den Aspekt der Loyalität. Wenn die Hohepriesterin spurlos aus ihren Gemächern verschwand und in Tareks Lager wieder auftauchte und diesem ihre Unterstützung zusicherte, wäre das ein vernichtender Schlag für den Usurpator – und vielleicht sogar ein Sieg ohne Krieg.
    Womöglich gerieten seine Eltern dadurch aber in noch größere Gefahr. Er redete sich zu, dass er darauf keine Rücksicht nehmen könne. Die Mädchen waren den anderen schutzlos ausgeliefert, die furchtlosen Vier aber nicht; seine Eltern waren noch immer mit heiler Haut davongekommen, zudem hatten sie Daoud und Selim bei sich.
    »Kann sein, dass ich sie heute Abend noch nicht mitbringe«, räumte Ramses ein.
    »Du musst dich erst gründlich umsehen.« Harsetef nickte zustimmend. »Ich halte heute und morgen und übermorgen Nacht nach dir Ausschau und ich werde die anderen Späher vorwarnen. Findest du den Weg hierher zurück?«
    »Ja«, antwortete Ramses zuversichtlicher, als ihm zumute war. »Du informierst Tarek? Sag ihm, dass wir uns für seine Sache einsetzen und bald bei ihm sind. Bis dahin soll er nichts unternehmen.«
    Harsetef begleitete ihn ein Stück und winkte ihn wenige Meter oberhalb der Allee in eine enge, aber uneinsehbare Felsspalte. Sobald er allein war, inspizierte Ramses seinen Standort. Ihm schwante, wieso die geheimen Routen der Rekkit hier entlangführten – viele Häuser auf der Ostseite waren nicht mehr bewohnt –, aber für ihn war es verdammt umständlich, denn Tempel und Palast befanden sich auf der anderen Seite des Tals. Er würde die Straße überqueren müssen oder kostbare Zeit verschenken – und Knochenbrüche riskieren, wenn er über die Felsen kraxelte. Er musste ohnehin warten; ringsum war viel zu viel Licht; die Kohlepfannen vor dem Tempel glühten, Passanten trugen brennende Fackeln, in den Fensteröffnungen etlicher Häuser flackerten Talgstumpen. Er vertrieb sich die Zeit, indem er seine Umgebung mit dem Fernglas absuchte. So entdeckte er die Prozession der Fackel- und Sänftenträger und tippte darauf, dass seine Eltern am Abend Gäste gehabt hatten. Natürlich drehten seine Mutter und sein Vater nicht Däumchen, bis sie Nachricht von ihm bekamen, aber was zum Teufel hatten sie sich dabei gedacht?
    Die Lichter erloschen. Die züngelnden Flammen vor dem Tempel erstarben rotglühend. Nebel strömte ins Tal, aber der Himmel über ihm war sternenklar. Nach einem letzten Blick auf die sanft schimmernde Mondsichel wagte er den Abstieg zur Straße.
    Er schritt zügig aus, mit dem Selbstbewusstsein eines Mannes auf einer wichtigen Mission. Das einzig Positive war, dass er den Eingang des schwer bewachten und hell erleuchteten Palastes nicht passieren musste. Bis zu jenem Moment hatte er gar nicht daran zu denken gewagt, wie er vorgehen wollte. In der Deckung der mächtigen Pylone tastete er sich geräuschlos vorwärts, bis der kleine Isis-Schrein sichtbar wurde. Sein Herz krampfte sich zusammen, als er das schwach erhellte Rechteck hoch über dem Tempelfirst wahrnahm. Demnach hatten sie mit Nefret gesprochen und seine Bitte weitergegeben. Damit erübrigte sich die Frage nach dem weiteren Vorgehen.
    An dem Tag, als sie das Heiligtum besucht hatten, hatte er eine mögliche Route ausgearbeitet. Der erste Teil war nicht besonders schwierig. Es gab weitere, kleinere Schreine und ein paar langgestreckte Hütten, vermutlich für die Tempeldiener, so dass er problemlos zu dem flachen Tempeldach gelangte. Und dort begann der Aufstieg über das Felsmassiv; von weitem hatte es jedenfalls den Eindruck gemacht, als fänden seine Hände und Füße den nötigen Halt. Er zog seinen Umhang und die klobigen Sandalen aus, stopfte beides in den Rucksack und kramte das dünne, starke Seil heraus. Es maß schätzungsweise zwölf Meter und war damit länger, als er vermutet hatte. Daoud hatte eine gute Wahl getroffen. Ramses schlang es sich um die Schulter, wohlwissend, dass er unter Umständen fluchtartig umkehren müsste. Hoffentlich war Nefret wach und allein. Ich muss von allen guten Geistern verlassen sein, überlegte er nach einem Blick zu dem erleuchteten Fenster. Die Hohepriesterin ist bestimmt nicht allein, diese unsäglichen Zofen schwirren ständig um sie herum und ich weiß nicht, ob ich imstande bin, eine Horde wehrloser, kreischender Mädchen außer Gefecht zu setzen.
    Er fing an zu klettern.
    Der Aufstieg war nicht unbedingt schwieriger als viele andere, die er in Ägypten bewerkstelligt hatte, nur dass es

Weitere Kostenlose Bücher