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Amelia Peabody 16: Wächter des Himmels

Titel: Amelia Peabody 16: Wächter des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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stockfinster war und er kein Geräusch machen durfte. Obschon er sich behutsam vortastete, löste sich gelegentlich Geröll und prasselte in die Tiefe. Das Aufklatschen auf dem Dach dröhnte wie explodierendes Dynamit in seinen Ohren, gleichwohl kam keine Reaktion von den Tempelwächtern. Als er endlich in Höhe der Fensteröffnung war, schwitzte er vor Nervosität, seine aufgeschürften Hände bluteten. Er klammerte sich an den flachen Sims, seine Zehen bohrten sich in eine Felsritze. Ein Blick durch das Fenster vergegenwärtigte ihm, dass die wehrlosen Mädchen vor ihm sicher waren. Die Öffnung wurde von zwei Felssäulen getragen, kunstvoll gemeißelt in Form von Papyrusstelen. Das hatte er bereits von unten gesehen, jedoch nicht realisiert, wie eng die Säulen standen. Ein Kind oder eine gertenschlanke Frau könnten sich dort hindurchzwängen, aber kein erwachsener Mann.
    Er zog sich an dem Sims hoch, bis er den Arm um eine der Säulen schieben konnte. Sein Glück, denn sonst hätte er vermutlich vor lauter Verblüffung den Halt verloren: Zwischen den Säulen thronte, hochmütig aufgerichtet und regungslos, eine riesige gestromte Katze.
    Ramses starrte die Katze an. Die Katze starrte zurück, ihre großen Augen fluoreszierend im reflektierenden Lichtschein.
    Na bravo, überlegte Ramses, mit dergleichen hätte ich natürlich rechnen müssen; meine Familie zieht groteske Situationen an wie der Sirup die Fliegen. Es war eine der Tempelkatzen und Isis geweiht, die wie Bastet in manchen Kulturen als Katzengöttin galt. Das Tier trug ein kunstvoll geflochtenes Halsband und einen Ausdruck höflichen Desinteresses zur Schau.
    Er hütete sich davor, es anzufassen. Die heiligen Katzen waren große, kräftige Tiere mit scharfen Krallen und spitzen Zähnen. »Hältst du Wache oder bist du bloß neugierig?«, flüsterte er.
    Die Katze öffnete ihr Mäulchen. Sie gähnte, vermutlich, um ihre Langeweile zu demonstrieren, doch einen fassungslosen Moment lang glaubte er, die geflüsterte Antwort käme aus ihrem Rachen.
    »Du bist verrückt, wie kannst du nur! Geh, bevor man dich entdeckt.«
    Es war nicht Nefret – und auch nicht die Katze. »Daria?«
    Ihr Kopf tauchte in dem Spalt neben der Katze auf. Die Lampe stand auf einer niedrigen Truhe unter dem Fenster; die flackernde Flamme ließ zuckende Schatten über ihr Gesicht huschen, verzerrte ihre Züge ins Gespenstische, Hexenhafte.
    »Hilf mir«, bat er leise. Er reichte ihr ein Ende des Seils und fluchte leise, da die Katze herumschnellte und das baumelnde Etwas umkrallte. »Schling es um die Säule und reich es mir zurück«, befahl er. »Beachte die Katze nicht weiter.«
    Schwer beleidigt über den Verlust ihres Spielzeugs, warf die Katze Ramses einen vernichtenden Blick zu und sprang von dem Sims in den Raum. Ihr Schweif hoch aufgerichtet, stakste sie davon. Ramses zog das Seil fest. Gottlob war es so lang, dass es fast bis zum Dachfirst reichte.
    »Kannst du sie herbringen?«, fragte er.
    »Unmöglich. Sie schläft in einem der inneren Räume und die Frauen liegen rings um sie herum, wie in einem Katzenkorb.«
    »Und du nicht?«
    »Sie lassen mich in Frieden, solange ich ihnen nicht in die Quere komme. Deshalb konnte ich auch die Lampe entzünden. Ich habe mich damit herausgeredet, dass ich Angst davor habe, im Dunkeln allein zu schlafen. Sie lachten nur. Was hast du vor?«
    »Pssst. Ich will dich mitnehmen. Du bist so schlank, dass du durch diese Öffnungen passt.«
    »Ich?«, japste sie.
    »Sei still! Tu, was ich dir sage, und zwar schnell. Die Füße zuerst. Ich fang dich auf.«
    Auf der anderen Seite des Raums inspizierte die Katze soeben einen Korb. Ihre Kratzgeräusche lockten ein weiteres Tier hinzu; die beiden balgten sich um das Spielzeug. Ramses atmete auf, die Katzen waren ein Geschenk des Himmels, da die Schlafenden an derartige Geräusche gewöhnt schienen. So gut es eben ging, half Ramses dem Mädchen mit einer Hand und leise gemurmelten Anweisungen. Sie musste sich seitwärts durch die Öffnung zwängen. Sobald sie auf der Außenseite des Simses saß und an ihren baumelnden Füßen vorbei nach unten schaute, entfuhr ihr ein gepresster Entsetzensschrei.
    »Du kannst nicht mehr zurück«, flüsterte Ramses. »Leg die Arme um meinen Nacken und halt dich gut fest. Ich lass dich nicht fallen.«
    Ein Schaudern schüttelte ihren Körper. Er kannte keine Höhenangst, konnte sich aber durchaus vorstellen, dass sie Panik empfand und welchen Mut es erforderte, ihm zu

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