Amelia Peabody 16: Wächter des Himmels
gefangen, worauf Tarek im Siegeszug wieder in die Stadt einziehen kann. Dank unserer Eloquenz und Emersons Renommee.«
Sethos stammelte irgendetwas vor Entrüstung. »Der Plan muss natürlich entsprechend den Gegebenheiten angepasst werden«, versetzte ich schnell.
»Ganz meine Meinung«, sagte Sethos abgehackt.
Emersons Kopf tauchte zwischen den Vorhangschals auf. »Die Zeit ist um, Amelia.«
»Nur noch ganz kurz, Emerson, bitte. Ich bin gleich fertig mit ihm.«
Leise schimpfend verzog sich der Professor.
»Wie bist du hier hereingekommen?«, wollte ich von Sethos wissen.
»Ihr habt den Eingang zu den unterirdischen Passagen noch nicht entdeckt? Ich dachte, euer genialer Sohn –«
»Lass das«, sagte ich sanft, aber bestimmt. »Wir haben keine Zeit zu verschwenden. Beantworte meine Fragen. Ähm … Ramses hat den Eingang gefunden, ihn aber nicht öffnen können.«
»Kein Wunder, er ist von der anderen Seite verriegelt.«
Ich hätte nicht übel Lust gehabt, ihm gehörig den Kopf zu waschen, doch ich bremste mich. »Wie viele lukrative Gräber hast du entdeckt?«
»Eins oder zwei.«
»Ein- oder zweihundert meinst du wohl. Dann kennst du also den Weg durch die Tunnelgewölbe?«
»Ziemlich gut«, erwiderte Sethos vorsichtig. »Was schwebte euch vor?«
Emerson erschien erneut. »Meine Geduld ist zu Ende«, blökte er. »Hat der Bastard gestanden?«
»Der – äh – Gentleman möchte uns unterstützen«, korrigierte ich. »Er wird mir den Eingang zu den unterirdischen Geheimgängen zeigen und uns helfen, Nefret zu befreien. Mr MacFerguson, eine der Passagen führt zu den Gemächern der Hohepriesterin. Zweifellos kennen Sie den Weg, oder?«
Sethos’ Gegrummel fasste ich als ein Ja auf. »Ich werde versuchen, morgen wieder mit Nefret in Kontakt zu treten«, fuhr ich unbeirrt fort. »Dann erkläre ich ihr, wie sie ihren Zofen entwischen und in den Tunnel flüchten kann. Dort erwarten Sie sie dann.«
»Ja, Ma’am«, meinte Sethos seufzend. »Und was soll ich dann mit ihr machen?«
»Sie herbringen.«
»Was?« kam von Sethos und Emerson gleichzeitig.
»Nicht hierher in diesen Raum«, fauchte ich ungehalten. »Führen Sie sie in den Teil der Passage, der sich an unsere Räumlichkeiten anschließt – aber vorher erklären Sie ihr natürlich, wohin Sie gehen und warum. Um alles Weitere kümmere ich mich dann. Keine Widerrede, Mr MacFerguson. Sie wissen, was passiert, wenn Sie nicht spuren.«
»Was denn?«, erkundigte sich Emerson.
Da mir nichts Gescheites einfiel, überging ich die Frage. »Bind ihm die Füße los, Emerson. Und jetzt, Mr MacFerguson, zeigen Sie mir mal den Mechanismus.«
Er funktionierte nicht anders als in unserem damaligen Haus. Als die schwere Steinplatte langsam zurückglitt, wurde eine schmale Stiege sichtbar. »Selbstverständlich lassen Sie die andere Seite ab sofort immer unverriegelt.«
»Selbstverständlich.« Sethos schwang sich etwas ungelenk über den Rand und entzündete eine mitgebrachte Kerze. Im zuckenden Flammenschein wirkte sein Gesicht mit der Knollennase und den Riesenohren wahrhaft grotesk.
»Das gefällt mir gar nicht«, wetterte Emerson lauthals. »Woher weißt du, dass er nicht –«
»Pst, Emerson. Mr MacFerguson, wir treffen uns morgen Abend wieder. Gleiche Zeit, gleicher Ort. Ich kann mich auf Ihr Wort verlassen?«
»Aber unbedingt, unbedingt«, krächzte Sethos mit einem scheinheiligen Blick zu mir. »Mrs Emerson, Sie sind die netteste und verständnisvollste Frau, die ich kenne. Sie haben mich von der Unrechtmäßigkeit meines Tuns überzeugt. Ab jetzt bin ich geläutert, ein ganz neuer Mensch!«
Diesen theatralischen Abgang konnte er sich wohl nicht verkneifen. Ich beendete die Vorstellung, indem ich hastig die Steinplatte über seinem Kopf zuschnappen ließ.
Statt ins Bett zurückzukehren, pochte Emerson auf Aufklärung. Dafür musste ich mir diverse Ausflüchte einfallen lassen, trotzdem glückte es mir, Fakten und Fiktion geschickt zu verquicken.
»In der Kürze der Zeit konnte er mir nicht erklären, wie er die Vergessene Oase entdeckte«, sagte ich ausweichend. »Aber du weißt ja selbst, dass eine ganze Reihe von Leuten darüber informiert war. Bei seinem ersten Besuch gewann er Tareks Vertrauen, indem er sich als Freund von uns ausgab. Diesmal traf er auf den herrschenden Despoten und stellte fest, dass seine Position wackelte. Der Unterdrücker vertraut ihm nicht und das aus gutem Grund. Er will wie wir zurück in die Zivilisation und
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