Amelia Peabody 16: Wächter des Himmels
erwartungsvoll zur Tür. Tarek erwiderte ihr Lächeln und salutierte. Er war eine beeindruckende Erscheinung, groß und gestählt, mit einem gut geschnittenen Gesicht und aufgeweckten schwarzen Augen.
»Bei mir seid Ihr in Sicherheit, meine Dame«, versicherte er ihr. Es klang feierlich wie ein Schwur.
Ramses sah ihnen nach, als sie über die Straße zu den Dörfern und Villen in der nördlichen Region aufbrachen. Daria, wie eine Fürstin in der Sänfte von zwei Soldaten getragen, blickte sich nicht einmal mehr um. Er überlegte, ob er sie je wiedersehen würde. Wenn er die Situation falsch eingeschätzt hatte, war er noch vor dem Morgengrauen ein toter Mann.
Tarek hatte sich so überschwänglich von ihm verabschiedet, als rechnete er mit dem Schlimmsten. Als Harsetef ihn begleiten wollte, lehnte Ramses ab, erklärte sich aber einverstanden zu warten, bis Tareks Späher informiert waren, dass er über den Pass käme.
Tareks Neuigkeiten bereiteten ihm Kopfzerbrechen.
Mit Sicherheit war es nicht der renommierte und betagte Flinders Petrie gewesen, der Tarek besucht hatte. Ramses kannte nur einen, der auf die infame Idee gekommen wäre, diesen Namen zu benutzen. Und wie nannte er sich jetzt? MacFerguson? Moroney? Er tippte auf einen der beiden, zumal es unwahrscheinlich war, dass sich außer Sethos noch zwei weitere Engländer in der Heiligen Stadt aufhielten. Mittlerweile war ihm wieder eingefallen, wer MacFerguson war – oder auch nicht war. Die Ohren, dämmerte es Ramses schlagartig, diese gottverdammten Ohren! Genau das war eine der Grundregeln der Tarnung: ein Charakteristikum, das so bestechend war, dass es den Blick vom Gesicht ablenkte. Sethos musste MacFerguson sein. Ganz ohne Frage machte der Kerl inzwischen mit dem Usurpator gemeinsame Sache. Sethos hätte mit dem Teufel paktiert, wenn sich daraus Profit schlagen ließe! Er musste seine Eltern warnen, bevor dieser Schmierenkomödiant irgendein hinterhältiges Spielchen mit ihnen trieb.
Statt die Dämmerung abzuwarten, begann er sofort mit dem Abstieg. Die Sonnenstrahlen streiften die östlichen Ausläufer mit der Intensität von Suchscheinwerfern, aber, so redete er sich mutmachend zu, seine dunkle Haut und der braune Soldatenrock unterschieden sich kaum von der Farbe der Felsen. Zudem war es bei Tageslicht wesentlich einfacher, mit Füßen und Händen Halt zu finden. Er war hervorragend in der Zeit, als er weiter unten in den Hügeln eine Bewegung wahrnahm.
Genau wie er hob sich der Mann nur schemenhaft von dem verwitterten Gestein ab. Ramses bemerkte ihn erst, als er sich erneut bewegte. Er richtete sich auf und schwenkte den Bogen. Ramses erwiderte den Gruß mit einem Winken.
Der Pfeil streifte seinen Oberarm. Die Verletzung war zwar nur oberflächlich, doch Ramses verlor in der Schrecksekunde das Gleichgewicht. Zwecklos, den Sturz noch abzumildern; letztlich war es wie eine Erlösung, als sein Kopf auf dem Steinboden auftraf und sich der Schmerz im watteweichen Dunkel verlor.
»Wir müssen uns etwas ausdenken, wie wir die Diener loswerden«, sagte ich kaffeeschlürfend – insgeheim dankte ich Sethos für diesen kleinen Luxus. Genussmensch, der er war, hatte er dieses göttliche Getränk bestimmt eingeführt.
»Wieso?«, erkundigte sich Daoud. »Sie sind doch alle sehr freundlich.«
»Hmmm«, räusperte sich Emerson. »Meinst du, du könntest ganz besonders nett sein zu der freundlichen Frau, die dich ständig mit Leckerbissen versorgt?«
»Ich bin immer nett zu ihr«, versetzte Daoud verdutzt.
»Hmmm«, wiederholte mein Gatte. »Ähm – weißt du, Daoud, es besteht die Chance – eine klitzekleine Chance, wohlgemerkt –, dass MacFerguson Wort hält. Wenn die Bediensteten dann nicht hier herumlungern, kann Nefret zu uns heraufkommen, statt dort unten in dem dunklen Loch zu hocken.«
»Ah«, sagte Daoud.
»Tja … also … wenn wir Merasen und seinen Vater überzeugen können, dass Spione unter den Bediensteten sind – Leute, die sehr, sehr freundlich zu uns sind und – ähm – die uns zur Flucht verhelfen würden …«
»Ich kann sie ja mal fragen«, willigte Daoud ein.
Während Emerson fieberhaft überlegte, wie er einem Mann die Kunst der Verführung nahe legen konnte, der sich darin noch nie in seinem Leben probiert hatte, und Selim hinter vorgehaltener Hand losprustete, stürmten Merasen und sein Tross in den Raum. Ein Blick in Merasens triumphierendes Gesicht und mir war klar, dass wir in Schwierigkeiten steckten. Er steuerte
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