Amelia Peabody 16: Wächter des Himmels
zurück. »Ich begleite dich.«
»Prima. Ein Dolmetscher kann nicht schaden«, setzte Emerson hinzu. »Ihr anderen bleibt hier. Nein, verflucht, Selim, keine Widerrede. Die Sache gefällt mir genauso wenig wie euch, trotzdem, die Sitt Hakim und ich haben alles besprochen und sie sieht ein, dass das unsere einzige Chance ist.«
»Emerson muss blitzschnell und unter strengster Geheimhaltung agieren«, führte ich aus, da Selim nach wie vor uneinsichtig schien. »Wir würden ihn nur behindern. Er ist der Einzige, der sich in allergrößte Gefahr begibt. Es erleichtert mich sehr, dass du ihn begleitest, Ramses.«
»Ja, Mutter. Schau mich nicht so vernichtend an, Selim, du musst mit Daoud die Stellung halten, unter Umständen sogar gewaltsam. Manche von den königlichen Wachen werden Zekare weiterhin treu ergeben sein. Merasens Leibgarde ebenfalls. Hoffentlich habt ihr noch Daouds Waffen.«
Daoud zauberte sie hervor. Schweigend inspizierten wir unser mickriges Arsenal: eine Pistole, eine Flinte und eine läppische Schachtel Munition für Letztere. Wortlos bot Daoud die Waffen Emerson an, der nur den Kopf schüttelte. Mein Ehemann hat nichts gegen den Gebrauch von Feuerwaffen, gleichwohl vertritt er die These, dass er genauso gut ohne auskommt.
»Ich nehme das Gewehr.« Ramses’ Stimme duldete keinen Widerspruch.
Emerson rieb sich das Kinn. »Könnte ganz sinnvoll sein. Aber der Gedanke, die anderen ohne Schusswaffen zurückzulassen, behagt mir gar nicht.«
»Eine Flinte bringt uns nicht viel, wenn überhaupt, dann nur Probleme«, gab ich stirnrunzelnd zu bedenken. »Wir behalten die Pistole, die Daoud aber einstweilen wieder in ihr Versteck zurücklegen kann.«
»Gib sie bloß nicht ihr.« Emerson deutete auf mich. »Und schieß nur im Notfall. Wir versuchen ein Blutvergießen zu vermeiden und nicht zu provozieren. Peabody, du weißt, was du zu tun hast. Wenn sie kommen, verhaltet ihr euch kooperativ, es sei denn, sie drohen mit körperlicher Gewaltanwendung oder versuchen, euch zu trennen. Haltet sie so lange wie möglich hin. Wenn sie erfahren, dass ich mich verdrückt habe –«
»Du wiederholst dich, Emerson. Du kannst dich darauf verlassen, dass ich mir in jeder noch so brenzligen Situation zu helfen weiß. Und darf ich hinzufügen, dass dein enormes Vertrauen in mich –«
»Nein, vergiss es.« Emerson winkte ab. Ihm versagte die Stimme, worauf er sich geräuschvoll räusperte. »Ich … ähm …«
»Kopf hoch, mein Lieber. Ich glaube nicht, dass Zekare uns töten lässt, und wenn er uns in ein feuchtes, finsteres Verlies sperrt, wirst du uns in Windeseile befreien.«
»Ganz bestimmt«, betonte Emerson. »Hmpf. Also schön, Ramses, machen wir uns auf den Weg. Ähm – à bientôt, Peabody. Vergiss nicht, du hast immer noch die kleine Damenpistole. Schieß dir damit nicht in den Fuß.«
»Bis bald, Emerson. Lass dich nicht erschießen.«
»Sei vorsichtig, Professor«, flüsterte Nefret. »Ramses –«
»Ich pass auf ihn auf.« Ramses grinste zu seinem Vater.
Tränen verschleierten ihre Augen, rollten ihr über die Wangen. Ramses trat einen Schritt auf Nefret zu.
»Hölle und Verdammnis«, schnaubte der Professor. »Komm endlich, Ramses, das halte ich nicht aus.«
Aus Manuskript H
»Der heikelste Teil ist, an den Wachen vorbeizukommen und über die Allee zur Treppe vorzudringen«, erklärte Emerson, während sie durch den gewundenen Gang liefen. »Ob unsere Tarnung funktioniert, was meinst du?«
Ramses spähte zu seinem Vater. Dessen Verkleidung wirkte alles andere als überzeugend. Die Robe war mindestens dreißig Zentimeter zu kurz, zumal der Professor sich überhaupt nicht in einem Rock zu bewegen wusste. Und die viel zu kleine Perücke hing gefährlich schief auf einem Ohr. »Was machen wir mit der Flinte?«
»Gib sie mir.«
»Ja, Sir«, murmelte Ramses, dem das ohnehin lieber war.
Sie mogelten sich an den Wachen vorbei und zu den Stufen, die ins Dorf führten, ohne dass jemand Verdacht schöpfte. Ramses raste blitzartig die Treppe hinunter, sein Vater hinterher. Im Tal gab Emerson ein paar Warnschüsse ab. Geröll zerbarst, Steinsplitter wirbelten durch die Luft, jemand schrie.
»Das hält sie bestimmt für eine Weile auf«, bemerkte Emerson. »Was ist denn hier los?«
»Verdammt, die Rekkit haben bereits die Wachen überwältigt.« Fast wäre Ramses über einen der Getöteten gestolpert. »Runter mit der Perücke und dem Gewand, Vater, sonst gehen sie als Nächstes auf uns los.« Er hob
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