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Amelia Peabody 16: Wächter des Himmels

Titel: Amelia Peabody 16: Wächter des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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auf uns zu. »Kommt mit.« Er umschloss Nefrets Handgelenk. Darauf versetzte ich ihm mit dem Schirm einen leichten Klaps auf den Arm.
    »Wir kommen auch so mit«, sagte ich. »Geht voraus.«
    Ich hatte die Prozedur so lange wie eben möglich hinausgezögert. Der Raum war dämmrig, lediglich erhellt von Fackeln und Kohlebecken. Wir waren kaum ein paar Schritte gegangen, als ein Mann hereinplatzte und vor Merasen auf die Knie fiel. Er trug den federgeschmückten Helm der königlichen Wachen und schnaubte wie ein gehetztes Pferd.
    »Sie kommen«, keuchte er. »Rette sich, wer kann. Der Kampf ist verloren!«
    »Hossa!«, brüllte ich und wedelte triumphierend mit dem Schirm.
    Merasens hochwohlgeborener Fuß trat dem Kundschafter empfindlich in die Kniekehlen. »Du lügst!«, kreischte er, seine Augen blitzten vor Zorn.
    Er war der Einzige im Saal, der diesen Irrglauben vertrat. Alles stürmte zum Fenster.
    Auf Merasens Befehl hin stand der Platz voller Zuschauer. Etliche Rekkit waren gekommen – aber keine Spur von Tareks vorstoßender Armee.
    Sobald ich mich umdrehte, sah ich, wie sich der Saal blitzartig leerte. Einige Priester rafften ihre Roben bis zu den Knien, um schneller laufen zu können. Der junge Despot stand über dem Leichnam des Kuriers. Als Überbringer schlechter Nachrichten hatte den Unglückseligen das Los getroffen, von Merasen enthauptet zu werden. Ein gutes Drittel der Wachleute war ebenfalls auf wundersame Weise verschwunden, darunter auch die beiden, die Sethos hereingezerrt hatten. Durch die Weite des Raums traf dessen Blick auf meinen. Für Augenblicke schien er ernsthaft zu überlegen, ob er sein Heil in der Flucht suchen sollte. Schließlich sagte er laut und vernehmlich: »Verflucht, Amelia, pass auf!« Er duckte sich geistesgegenwärtig, da ein Speer über seinen Kopf surrte und an der Steinmauer abprallte.
    Nicht alle Wachen waren desertiert. Es würde ein letztes Gefecht geben und wir mittendrin. Mein Aufruf »Ergebt euch! Legt die Waffen nieder!« verklang ungehört. Selim hatte sich einen Speer organisiert – müßig zu fragen, woher. Moroney hielt mich fest. »Gehen Sie hinter mir in Deckung, Mrs Emerson«, rief er.
    »Unsinn«, zischte ich. »Kümmern Sie sich lieber um Nefret und gehen Sie mir aus der Schusslinie.«
    Merasen stand reglos, sein blutiges Schwert in der Hand. Er rührte sich erst, als der Kommandeur der Palastwache ihn an der Schulter fasste. »Wir erwarten Eure Befehle, Hoheit«, sagte er. Dann sah er zu mir. »Keine Angst, Madam, es besteht nicht die geringste Gefahr für Leib und Leben. Aber ich habe einen Monarchen verraten und werde das kein zweites Mal tun.«
    »Aber er ist gar nicht König!«, kreischte ich. »Er hat seinen Vater und seine Brüder auf dem Gewissen. Wenn das nicht ausreicht …« Der Befehlshaber sah mich verständnislos an, da ich englisch gesprochen hatte. Bevor ich übersetzen konnte, vernahm ich energische Schritte im Gang. Es war eindeutig Ramses, der sich zwischen zwei Wachen durchzwängte und völlig außer Atem stehen blieb. Seine schwarzen Haare waren windzerzaust und er trug lediglich einen zerrissenen Leinenrock. Gottlob schien er sich keine neuen Blessuren zugezogen zu haben.
    »Und dein Vater?« Meine Stimme überschlug sich fast.
    »Ist in Sicherheit. Ich bin vorausgelaufen.«
    Er nahm den Saal in Augenschein.
    »Waffen runter, alle«, befahl mein Sohn. »Tarek ist gnädig.«
    Unseligerweise reagierte Merasen nicht so einlenkend wie der Rest der Truppe. Er kniff die Augen zusammen. »Lebend kriegt ihr mich nicht!«, brüllte er und wich zurück. Er fuchtelte so wild mit dem Langdolch herum, dass alle beiseite sprangen.
    »Umso besser«, stieß Ramses zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
    »Nein, Ramses, nicht!«, erregte ich mich. »Lass ihn laufen. Der kommt nicht weit.«
    »Wir können das genauso gut hier und jetzt regeln«, erwiderte Ramses kalt. »Leiht mir mal kurz jemand ein Schwert?«
    Der Kommandeur zog seine Waffe und reichte sie meinem Sohn. Der schwang das Kurzschwert mehrere Male, um ein Gefühl dafür zu bekommen. Er war ein erfahrener Fechter, aber hier handelte es sich um eine völlig andere Klinge, kürzer und wuchtiger als ein Florett.
    Ich hatte nicht die leiseste Ahnung, welche – und ob in dieser Stadt überhaupt – Regeln für den Zweikampf existierten. Merasen ging auf Ramses los, als dieser sein Schwert gesenkt hielt, und nur eine geschmeidige Körperdrehung bewahrte meinen Sohn vor Schlimmerem.

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