Amelia Peabody 17: Die Schlangenkrone
Haben Sie etwa geglaubt, Sie könnten klammheimlich zurückkehren und ich merke nichts davon?«
Emerson funkelte Daoud an, der verbindlich zurückgrinste. »Mein Sohn Sabir hat es mir umgehend berichtet, Vater der Flüche. Ich hab Selim informiert, daß du schleunigst die Arbeit aufnehmen willst, und Selim hat die anderen informiert, und –«
»Du hast es Mr. Vandergelt erzählt«, schloß Emerson.
»Aber klar doch«, erwiderte Daoud, erstaunt, daß der Professor das überhaupt erwähnte.
»Also, wer ist der rechtmäßige Besitzer der Statue«, drängte Cyrus.
Da sich der Amerikaner nicht so leicht abwimmeln ließ wie die ägyptischen Arbeiter, verzog Emerson stöhnend das Gesicht und schickte sich an, die Neugier seines Freundes zu befriedigen.
»Woher zum Teufel soll ich das denn wissen? Ich habe im Zug Gerüchte gestreut. Es wird vielleicht eine Weile dauern, bis die entsprechende Resonanz erfolgt. Was Lacau anbelangt, so hat er mir die Genehmigung erteilt, Grab 55 erneut freizulegen. Das Französische Institut übernimmt dann voraussichtlich dieses Areal.«
Der Professor wollte sich umdrehen, doch Cyrus packte ihn am Arm. »Und was wird aus mir?« brüllte er aufgebracht.
»Aus Ihnen? Hmmm«, meinte Emerson. Er rieb sich das energische Kinn. »Was würden Sie vom Westtal halten?«
»Ist das Ihr Ernst?« Cyrus strahlte wie ein Honigkuchenpferd. »Ist das denn nicht Teil der Konzession von Carter und Carnarvon?«
»Momentan ist Lacau auf Carter nicht sonderlich gut zu sprechen«, erklärte Emerson mit sichtlicher Genugtuung.
»Der Bursche hat ein paar krumme Dinger im Antiquitätengeschäft gedreht – das ist wahrlich keine gute Visitenkarte für einen professionellen Exkavator. Aber das bleibt unter uns, verstanden, Vandergelt?« Er warf einen gestrengen Blick in die Runde.
»Aber sicher«, bekräftigte Cyrus hastig. Daoud starrte in eine ungewisse Ferne, als wäre er tief in Gedanken versunken. »Carter hat in nächster Zeit keine Pläne für das Westtal«, fuhr Emerson fort. »Lacau war mit mir einer Meinung, daß das Gebiet zu unautorisierten Grabungen einlädt. Und, zufrieden? Schön. Dann erlauben Sie doch sicher, daß ich jetzt an die Arbeit gehe. Will schließlich nicht, daß diese verdammten Franzosen Grund zur Kritik haben.«
»Dann gedenkst du also, hier abzuschließen?« wollte Ramses wissen.
Sein Vater wirkte tief getroffen. »Wie kannst du so etwas von mir denken, mein Junge? Ich gebe eine Exkavation doch nicht mitten in der Saison auf! Nein, nein, wir können beides machen.«
Ramses’ unterschwellige Kritik brachte Cyrus auf den Plan. »Ich nicht«, sagte er ohne Umschweife. »Und so ohne weiteres bin ich auch nicht bereit, mich Hals über Kopf dem Westtal zuzuwenden.«
»Hier haben Sie doch die meisten bekannten Gräber erforscht, oder?« wandte Emerson ein.
»Das ja, aber –«
»Na also. Dann versperren Sie die Eingänge und geben Sie sich mental einen Ruck.«
Mit diesen Worten marschierte Emerson hochzufrieden davon, seine Mannschaft im Schlepptau.
Jumana platzte fast vor Neugier. Während Nefret ihre Fragen nach bestem Wissen zu beantworten suchte, spähte Ramses über das enge Tal. Jetzt, da sie das Gebiet aufgaben, fand er es irgendwie schade. Er war sich sicher, daß unter dem unwirtlichen Gestein weitere Ostraka, Stelen und womöglich auch Fragmente der bedauerlich unvollständigen Texte verborgen lagen, mit deren Übersetzung er sich gerade beschäftigte.
KV 55 hatte ihm diesbezüglich nichts zu bieten. Und was war mit der nächsten Saison? Sein Vater durfte bestimmt nicht davon ausgehen, daß er noch einmal einen plausiblen Vorwand fand, um seine Aktivitäten im Tal der Könige fortzusetzen.
Dank Emersons Akribie (und der häufigen Arbeitsunterbrechungen durch »kriminelle Elemente«, wie seine Mutter es vorzugsweise umschrieb) war erst das halbe Dorf freigelegt, darüber hinaus einige kleine Schreine und Tempel an der Nordseite. An jenem Morgen hetzte Emerson sie wie ein Sklaventreiber, sie schütteten ansatzweise ausgegrabene Bereiche wieder zu und beendeten die Freilegung einiger anderer. Der Schutt türmte sich zu Riesenbergen auf. Das Durchsieben war Aufgabe seiner Mutter, und Emerson fluchte wie ein Kesselflicker, weil sie nicht auftauchte. Ramses’ Angebot, für sie einzuspringen, wurde abgelehnt.
»Los, hilf Cyrus und seiner Truppe«, wies Emerson seinen Sohn an und deutete mit einer ausladenden Geste auf die weitverstreuten Grabstätten.
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