Amelia Peabody 18: Das Königsgrab
nichts tun. Mit ihr als Geisel sichern sie sich unser Stillschweigen.«
Sie steuerte zum Büfett und goss einen Fingerbreit Whisky in ein Glas. Ich nahm ihr das göttliche Getränk ab und sank in einen Sessel.
»Wir könnten doch sowieso nichts ausplaudern, da wir ihre Pläne gar nicht kennen«, bemerkte ich zutreffend. »Aber das hilft uns jetzt auch nicht weiter. Wir müssen Ruhe bewahren und reflektieren, was wir bislang wissen.«
»Nicht viel«, meinte Emerson trocken.
»Eins steht jedenfalls fest: Sie wissen um Sethos’ wahre Identität, sonst hätten sie nicht seine Frau entführt.«
»Die Sache hat ihn ziemlich mitgenommen«, seufzte Nefret. »Er kämpfte mit den Tränen.« Ihre kornblumenblauen Augen spiegelten tiefes Mitgefühl.
»Er hätte besser mehr Gefühl bei ihr gezeigt. Jetzt ist es womöglich zu spät«, grummelte Emerson.
»Wir wollen hoffen und beten, dass es das noch nicht ist«, murmelte ich betreten.
David und Ramses kehrten mit der Nachricht zurück, dass sie weder Margaret noch den Kutscher aufgespürt hätten. Das klang doch immerhin beruhigend, nachdem mich bereits alptraumhafte Bilder von aufgedunsenen Wasserleichen verfolgten. Die von einem Unternehmen in Luxor gemietete Kutsche war in der Nähe der Fährkais aufgefunden worden – leer.
»Mir scheint, wir sind in einer Sackgasse gelandet«, sagte ich. »Wo ist Sethos?«
»Er ist allein losgezogen, meinte, er hätte eine Idee, wo sie sein könnte.« Ramses lehnte den angebotenen Whisky mit der Begründung ab, er wolle auf den Tee warten. »Nachher kam mir der Gedanke, dass er womöglich einen Geiselaustausch vorschlagen will. Er anstelle von Margaret.«
»Das ist das Mindeste, was er für sie tun kann«, knurrte der Professor. »Kruzifix, jeder Mann, der was für seine Frau übrig hat, würde so handeln.«
»Er weiß, wie er mit ihnen kommunizieren kann«, gab ich zu bedenken. »Einmal angenommen, sie sind weiterhin über die Adresse erreichbar, die er hatte. Ach du liebes bisschen! Ein solcher Austausch brächte uns keinen Schritt weiter!«
Ramses legte tröstend eine Hand auf meine Schulter. »Sicher besteht nicht der geringste Anlass zur Sorge, Mutter. Die Entführer lassen sie wieder frei, sobald sie Margaret nicht mehr brauchen.«
Nachdem ich etwas Abstand gewonnen und ein, zwei Schlückchen Whisky intus hatte, stellte sich mein logisches Denkvermögen wieder ein. »Bedeutet dieser Zwischenfall etwa, dass ein solcher Zeitpunkt in unmittelbare Nähe gerückt ist?«, wollte ich wissen.
»Das frage ich mich auch«, räumte Ramses ein. »Aber selbst wenn das der Fall sein sollte, haben wir nicht die Spur einer Chance, etwas dagegen zu unternehmen.« Ich legte warnend den Zeigefinger auf die Lippen. »Ich glaube, die Kinder sind im Anmarsch. David, mein Junge, du siehst erschöpft aus. Zudem hattest du nicht eine Minute Zeit, um über die wunderschöne Truhe nachzudenken. Wenn du dich zurückziehen möchtest, bringt Fatima dir bestimmt den Tee und etwas Gebäck aufs Zimmer.«
»Ich warte, bis Sethos sich meldet«, murmelte David.
»Ich mag mich jetzt nicht auf ästhetische Genüsse konzentrieren. Gräm dich nicht, Tante Amelia. Ich bin mir sicher, ihr passiert nichts.«
Noch so eine Beteuerung und ich schreie, dachte ich.
Woher wollte er das wissen? Oder einer von uns anderen? Die Kinder stürmten samt Hund ins Zimmer. Fatima servierte den Tee, sowie diverse Leckereien – eine Angewohnheit von ihr, um uns in Krisensituationen bei Laune zu halten. Wie versprochen hatte ich Cyrus eine Notiz geschickt, dass wir noch keinen Schritt weitergekommen seien. Danach hieß es Warten, Warten, Warten. Das Geplapper der Kleinen lenkte uns vorübergehend ab. Wie erwartet forderten mehrere Tage Bravsein ihren Tribut: Carla warf das Schachbrett mitsamt Figuren um, und David John trat dafür nach ihr. Sie fielen übereinander her. Der Hund fing an zu kläffen. Als ich die Meute auseinanderzubringen suchte, klopfte es an der Tür. »Kann ich reinkommen?«, rief Sethos.
»Halt aber den Hund in Schach«, japste ich, während ich geistesgegenwärtig Carlas Arm fasste.
»Sie hält mich bereits in Schach«, stöhnte Sethos.
»Was ist denn los da drin?«
In meiner sicheren Umklammerung hörte Carla sofort auf sich zu wehren; ich muss ihr zugute halten, dass sie nur ihren Bruder trat oder biss, aber niemanden von uns. David John hatte sich weinend in die Arme seines Vaters geflüchtet. Amira stellte das Kläffen ein und fing an zu jaulen.
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