Amelia Peabody 18: Das Königsgrab
abgesehen hatten. Du hast dich gefragt, wieso sie sich Gargery schnappten? Weil sie hofften, wir würden uns trennen, um ihn zu suchen – das haben wir ja auch gemacht. Sobald du weg warst, trat jemand an mich heran. Erinnerst du dich noch an diesen Typen, den du unter dem Namen Bashir kanntest?«
»Einer von diesen Radikalen, an die wir während des Krieges gerieten? Ich ging davon aus, man hätte ihn und seine Revoluzzerbande ins Gefängnis gesteckt.«
»Hat man auch. Das war nur sein Deckname; eigentlich heißt er Mohammed Fehmi und stammt aus einer angesehenen Familie. Nach dem Krieg wurde er auf Betreiben seines Vaters aus der Haft entlassen. Inzwischen ist er ein ehrenwertes Mitglied der Gesellschaft und arbeitet in einem der Ministerien. Um es kurz zu machen: Er erzählte mir rundheraus, dass er und seine Partei einen Staatsstreich planen. Einen unblutigen Coup. Sie haben genug von Fuad und seinen undurchsichtigen Plänen; sie wollen ihn durch jemanden ersetzen, der mit ihren Anschauungen und Zielen sympathisiert.«
Ramses blies gedankenvoll die Backen auf. »Ich weiß, was du jetzt denkst«, sagte David schnell. »Aber ich hatte keinen Grund, ihm nicht zu glauben. Er beteuerte, sie hätten niemanden verletzt und dies auch nicht vor. Ich sicherte ihm erst mal Stillschweigen zu. An diesem Punkt kannte ich die ganze Geschichte noch nicht.«
»Du erfuhrst sie aber an dem fraglichen Abend.«
David nickte. »Was du mir erzählt hast, bestätigte Bashirs Behauptungen. Er räumte offen ein, dass ein paar seiner Leute überreagiert hätten, nachdem Sethos ihr kostbares Dokument an sich gebracht hatte. Seitdem bespitzeln sie dich und die Familie rund um die Uhr.
Ich wollte es dir schon viel eher beichten, Ramses, Ehrenwort. Aber – na ja, ich bin nicht so naiv, wie du denkst. Bashir warf mir blödem Esel sozusagen ein paar schmackhafte Möhren hin, hielt die Gerte aber vielleicht noch im Ärmel versteckt. Kurzum, ich wollte mehr erfahren über ihr Vorhaben, deswegen erschien es mir am sinnvollsten, schön Wetter zu machen. Ich ließ sie in dem Glauben, ich wäre auf ihrer Seite.«
Du bist auf ihrer Seite, überlegte Ramses, dem auffiel, dass David beständig seinem Blick auswich, wenn auch nicht rückhaltlos. Du glaubtest Bashir, weil du an einen unblutigen Coup glauben wolltest, mit dem sich deine sehnlichsten Hoffnungen für dein Land erfüllen würden, und weil du eine Sache unterstützen wolltest, für die du dich zeitlebens eingesetzt hast.
Aber so ein Staatsstreich würde nicht unblutig verlaufen. Das war selten der Fall.
Jenes Gefühl der inneren Zerrissenheit war Ramses nicht fremd. Er selbst hatte seine Familie und nicht zuletzt Nefret im Ungewissen lassen müssen, als er im Krieg als Agent tätig gewesen war. Er hatte den Verrat, seine Vorgesetzten und sich selbst verabscheut – vermutlich ging es David momentan nicht anders.
»Und, wie hast du dich entschieden?«, fragte er eine Spur sanfter.
Sensibel auf jede Nuance in Ton und Mienenspiel seines Freundes reagierend, lächelte David verhalten.
»Als ich heute Abend das mit Margaret erfuhr, entschied ich, dass ich vermutlich naiver war, als ich dachte. Bashir hatte mir sein Wort gegeben, dass nichts mehr passieren würde. Also kam ich her, um eine Erklärung zu fordern. Die Adresse hatten sie mir für den Ernstfall genannt.«
»Was haben sie mit Margaret gemacht?«, fragte Ramses und nahm sich eine weitere Zigarette.
»Sie leugnen, dass sie sie entführt haben.«
»Glaubst du das?«
»Ich weiß nicht, was ich noch glauben soll.« David rieb sich fahrig über die Wangen. »Außer dass ich vermutlich den größten Fehler meines Lebens gemacht habe. Was sollen wir jetzt tun?«
»Ich gehe nicht davon aus, dass deine Schlägertypen mich unter überschwänglichen Entschuldigungen wieder vor die Tür setzen?«
»Dann würdest du zur Polizei gehen, nicht?«
Er mochte David nicht anlügen. Warum auch? »Ja«, antwortete er wahrheitsgemäß.
»Ich wusste, dass du das sagen würdest. Ich hol dich hier raus, Ramses, ich schwör’s. Das hab ich nicht gewollt.«
»Schon gut, schon gut. Kann passieren. Wie wär’s, wenn du ein Wörtchen mit den Typen redest und herausfindest, was die mit mir oder besser gesagt mit uns beiden vorhaben?«
»Sie haben keine Veranlassung, mir nicht zu vertrauen«, meinte David gedehnt. »Dass ich sie nicht bei deiner Festnahme unterstützte, werden sie mir sicher nicht ankreiden. Ich hatte auch kaum Gelegenheit,
Weitere Kostenlose Bücher