Amelia Peabody 18: Das Königsgrab
Schwäche für Romantisches. Du hast mich doch selbst darauf gebracht, dass ich mich bei ihr mehr ins Zeug legen soll.«
»Heißt das, du willst mir das Unglück in die Schuhe schieben?«, erkundigte ich mich spitz.
»Aber überhaupt nicht, liebste Amelia. Du hast einen konstruktiven Vorschlag gemacht, den ich brav befolgt habe. Ich wollte eine dramatische Rettungsaktion inszenieren und sie aus den Händen ihrer Peiniger befreien.«
»Grundgütiger!«, brüllte Emerson. »Willst du damit andeuten, dass Margarets Entführung nichts mit der anderen Sache zu tun hat?«
»Korrekt«, bekräftigte Sethos. »Ich musste es euch sagen, damit Nefret sich nicht unnötig aufregt. Es ist durchaus möglich, dass David Wind von meiner spontanen Aktion bekommen hat und sich ritterlich auf den Weg macht, die gefangene Prinzessin zu befreien.«
»Möglich wär’s«, murmelte Nefret hoffnungsvoll. »David hat Verwandte in Kurna, die ihn schätzen und unterstützen.«
»Ich muss auf der Stelle zu ihm.« Emerson sprang auf. »Und die arme Margaret befreien«, fauchte Nefret mit einem todbringenden Blick zu Sethos.
»Das Abendessen ist serviert«, sagte Fatima.
Mir schwirrte der Kopf vor lauter unbeantworteten Fragen und Ungereimtheiten.
»Warte Emerson«, bat ich. »Wir müssen das erst diskutieren.«
»Das Abendessen ist serviert«, wiederholte Fatima eindringlich. »Was soll ich Maaman sagen?«
Irgendjemand musste einen kühlen Kopf bewahren. Alle schickten sich an, aufs Geratewohl loszustürmen, während Maaman mal wieder in die Suppe heulte und Sethos … Ich war noch nicht fertig mit meinem Schwager. »Wir können genauso gut erst essen«, schlug ich vor. »Nein, hör mir zu, Nefret. Ramses und David sind vermutlich schon auf dem Heimweg. Eine übereilte Aktion wird die Situation nur unnötig verkomplizieren.« Wie üblich hatte ich das letzte Wort. Wir setzten uns zu Tisch und Fatima servierte die Suppe. Nefret rührte lustlos in ihrem Teller herum und legte dann den Löffel weg.
»Ist sie nicht gut?«, fragte Fatima.
»Doch, doch. Ich hab bloß keinen Hunger.« Nefret fing meinen forschenden Blick auf und lächelte schwach. »Nein, Mutter, ich habe keine Vorahnung. Wenn dem so wäre, würde ich nicht hier sitzen. Er schwebt nicht unmittelbar in Gefahr. Trotzdem würde ich ihn gern sehen. Um ganz sicher zu sein.«
»Verständlich, Liebes«, sagte ich mitfühlend. »Und wir werden schleunigst handeln. Zunächst bedürfen allerdings einige Dinge der Klärung.«
Ich wartete, bis Fatima die Suppenteller abgeräumt und den Fisch serviert hatte. Inzwischen schien sich Sethos’ Appetit ebenfalls verflüchtigt zu haben. Er fixierte seinen Fisch, der mit weißen Äuglein zurückstarrte. Ich räusperte mich vernehmlich.
»Du hast uns geschickt vom Thema abgebracht, indem du uns deine langatmige Geschichte mit Margaret aufgetischt hast. Keine Frage, sie entspricht der Wahrheit. Du lügst nämlich nie, wenn man dich leicht überführen könnte. Aber es war nicht die ganze Wahrheit, richtig? Alles, was du uns sonst noch erzählt hast, war von Anfang bis Ende konstruiert. Es gibt nur eine logische Erklärung für deine sämtlichen Fehlschläge: Du hast sie arrangiert. Streite es nicht ab. Du warst es, die ganze Zeit.«
»Das dachte ich mir«, knurrte mein Gemahl. »Beim Allmächtigen, ich wusste es!«
Emersons finstere Miene hätte meinen Schwager bestimmt nicht zu einem Geständnis bewogen, nein, die Enttäuschung und Verzweiflung in Nefrets Gesicht machten ihn letztlich mürbe. »Okay, okay«, seufzte er. »Ich werde euch alles erzählen. Die Wahrheit, die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit.«
»Von Anfang an, wenn ich bitten darf«, wies ich ihn an. »Bis zum bitteren Ende.«
»Das berühmt-berüchtigte Dokument ist eine Fälschung. Eine fingierte Geschichte. Der Mann, von dem ich es angeblich stahl, steht in unseren Diensten. Er wird auch von der Gegenseite bezahlt und, soweit ich weiß, von etlichen anderen Leuten. Das ist auch der Grund, weshalb sie mir so schnell auf die Spur kamen. Er hatte es ihnen mitgeteilt. Und mich bespitzelt, wie von ihnen instruiert.
Unsere Leute waren natürlich mit von der Partie. Jeder verfolgte jeden. Der erwähnte Mordanschlag auf mich am Bahnhof war ebenfalls getürkt. Mein bedauernswerter Kollege brach sich zwar ein Bein, als ich ihn vom Bahnsteig stieß, aber der Zug hatte bereits angehalten, und sie bargen ihn lebend von den Gleisen. Ab da hatte es nur noch die Gegenseite
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