Amelia Peabody 18: Das Königsgrab
Rettungsaktion? Hier von diesem schwachsinnigen Tattergreis und seiner scheintoten Alten?«
»Oh, ich hätte es durchaus dramatisch inszeniert.« Sethos warf sich in die Brust. Die Zeichen waren vielversprechend: Sie drangsalierte ihn weder mit irgendwelchen Wurfgeschossen noch mit Kraftausdrücken.
Beide schienen nicht recht zu wissen, was sie sagen sollten.
»Pack deine Sachen zusammen, Margaret«, schlug ich schließlich vor.
Sie nahm ihr Abendtäschchen, warf einen bitterbösen Blick auf die bestickten Kaftane und schritt aus dem Zimmer, Sethos mit Missachtung strafend.
Das ließ sich doch ganz gut an. Ich hoffte nur, alles andere würde sich auch so positiv entwickeln.
Aus Manuskript H
Im Schutz der hellen Straßenbeleuchtung und umgeben von flanierenden Menschenmengen sank Ramses keuchend auf die Außentreppe des Hotels. Irgendwann kam er wieder zu Atem.
»Alles in Ordnung mit dir?«
David nickte. »Du auch?«
»Ja. Ich frag mich, wieso sie nicht auf uns geschossen haben.«
»Keine Ahnung.« David wischte sich mit dem Hemds ärmel über das verschwitzte Gesicht. »Möchtest du was trinken?«
»Keine Zeit.« Ramses sprang auf. »Wir müssen die Polizei informieren.«
»Ich dachte, du kannst es nicht abwarten, Nefret wiederzusehen?«
»Das schon, aber sonst –«
»Sind sie womöglich über alle Berge«, beendete David den Satz. »Das lässt sich nun mal nicht ändern. Bei der Polizei wird auch nur mit Wasser gekocht. Dort wird man beteuern, dass erst eine größere Einheit zusammengestellt werden muss und so weiter und so fort.« Seine Argumentation war unwiderlegbar. Die Polizei würde keinen dringenden Handlungsbedarf sehen, sondern vermutlich darauf bestehen, Aziz zu holen, der um diese Zeit schon schlief. Und die Bande brauchte sicher nicht lange, um ihre wenigen Habseligkeiten zusammenzusammeln und zu türmen.
»Wie spät ist es?«, wollte Ramses wissen.
»Halb eins. Lass uns gehen.«
Um diese Uhrzeit überquerten nur wenige den Fluss, trotzdem tummelten sich einige Fährleute am Ufer, in der Hoffnung, Touristen für eine romantische Mondscheinfahrt zu gewinnen oder um ein paar saumselige Nachzügler am Westufer aufzulesen. Sie stürzten sich gestikulierend auf Ramses und David, aber Daouds Sohn Sabir machte letztlich das Rennen. Er packte David kurzerhand am Arm. »Da seid ihr ja, unversehrt und wohlbehalten, Allah sei Dank!«
David befreite sich lachend, worauf Sabir sich auf Ramses stürzte. Der spürte jeden schmerzenden Muskel in seinem Körper. Obschon nicht so groß geraten wie sein Vater, hatte Sabir Daouds muskulöse Statur und Arme, die hart zupacken konnten.
»Ja, Gott sei Lob und Dank«, sagte er, nachdem er sich aus Sabirs stürmischer Umarmung gelöst hatte.
»Hast du hier auf uns gewartet?«
»Ja, ja, sie haben mich hergeschickt. Kommt, kommt.
Nur Misur weint und der Vater der Flüche flucht und die Sitt Hakim füllt Munition in ihre Flinte und –«
»Ich darf gar nicht darüber nachdenken, was sonst noch alles«, sagte Ramses. »Wir müssen uns beeilen.« Sabirs Kahn war einer der wenigen mit Außenbordmotor. Sie setzten in Rekordzeit ans andere Ufer über, wo Selim sie mit gesattelten Pferden erwartete. Er hatte sie auf Anhieb entdeckt, und sein lauter Jubel hatte weitere Männer auf den Plan gerufen. Sie mussten diverse Umarmungen und Lobpreisungen Allahs über sich ergehen lassen. Ob nun göttliche Vorsehung, Glück oder Schicksal – er war gern bereit, dafür dankbar zu sein.
»Woher wusstest du, dass du hier auf uns warten musst?«, fragte Ramses Selim, während Risha ihn mit den Nüstern an der Schulter anstupste.
»Wir wussten es nicht, wir hofften es«, sagte Selim schlicht. »Als ihr nicht in Kurna wart, schickte die Familie Sabir und mich zum Fluss, wo wir die Fährleute nach eurem Verbleib fragten. Seitdem haben wir gewartet.«
Selim, der einen Hang zum Dramatischen hatte, schickte sich an, eine feierliche Prozession zu arrangieren.
Fackeln flammten auf, Stimmen erhoben sich zu Gebet und Gesang, Dorfbewohner folgten ihnen auf Eseln. David ritt in leichtem Trab neben Selim, Ramses spornte Risha jedoch zum Galopp an. Jetzt, da er fast zu Hause war, konnte er es kaum erwarten, sie zu sehen.
In sämtlichen Fenstern des Hauses brannte Licht. Sie kam mit ausgebreiteten Armen auf ihn zugestürzt. Kurzerhand schwang er sich von Risha und lief ihr auf halbem Weg entgegen.
»So, und jetzt berichtet«, drängte Selim. »Erzählt uns von eurem
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