Amelie und die Liebe unterm Regenschirm
Portier?«
»Weil ich mich ein bissl genier«, gab Amelie ehrlich zur Antwort.
Am Ende gab Uli nach. Also gut, er werde vorbeischauen und fragen. Das Kanzleramt liege ja am Weg von seiner Wohnung zum Theater. »Aber ich kann dir nicht versprechen, wann. Morgen sicher nicht. Es kann ein paar Tage dauern.«
»Das macht nichts«, lächelte Amelie versonnen. »Er wird mir schon nicht davonrennen, mein Galoschenmann.«
Erst am übernächsten Tag begann sie auf Ulis Anruf zu warten. Sie rechnete nicht damit, dass er vorbeikommen würde, er war momentan so beschäftigt, aber anrufen würde er gewiss. Sie ertappte sich dabei, wie sie erwartungsfroh zu lächeln begann, sobald das Telefon ging.
Auch der dritte Tag ging vorbei, ohne dass Uli angerufen hätte. Dennoch wurde Amelie nicht zappelig. Sie malte sich aus, was das Hähnchen über den Unbekannten in Erfahrung bringen würde. Vielleicht war er Botschafter, im Bundeskanzleramt war ja auch das Außenministerium untergebracht… Andererseits – Botschafter pflegten verheiratet zu sein, Gesandter oder Legationsrat wäre besser. Er könnte auch im Kanzleramt selbst beschäftigt sein … am Ende Sekretär des Bundeskanzlers, nein, lieber Pressesekretär, das war irgendwie flotter, weltoffener. Oder er war einfach Beamter. Irgendeiner. Hofrat am Ende. Nein, hoffentlich nicht, dann wäre er ja alt, obwohl der »Wirkliche« trotz seiner siebzig Jahre…
Am Morgen des vierten Tages rief Hermann an. Er sei eben mit dem Schlafwagen in Wien eingetroffen, er gehe jetzt direkt ins Büro, nachsehen, was während seiner Abwesenheit alles liegen geblieben sei, aber am Abend müsse er Amelie unbedingt sehen.
Ohne lange zu überlegen, begann Amelie zu husten und zu krächzen. »Lieber nicht, Hermann. Ich habe schreckliches Halsweh, wir hatten einen teuflischen Temperatursturz in den letzten Tagen, ich war geschäftlich unterwegs und habe mich wohl verkühlt.«
»Hast du Fieber?«, fragte Hermann besorgt.
»Ja, hab ich auch, steigt wohl noch«, log Amelie forsch darauf los.
Hermann neigte zu Hypochondrie und hatte geradezu lächerliche Angst vor jeder Art von Ansteckung, er würde mit Sicherheit nicht weiter auf ein Stelldichein drängen. »Schade, Schatzi«, sagte er enttäuscht. »Ich habe tolle Neuigkeiten. Seitens des Verlages und auch sonst…« Er wartete ab, bis Amelie einen neuerlichen Hustenanfall hinter sich gebracht hatte. »Nein, nein, es ist sicher vernünftiger, wenn du abends gleich zu Bett gehst. Ich kann mir eine Grippe zurzeit nicht leisten, nachdem ich so lange vom Büro fort war… Vielleicht fühlst du dich ja morgen besser…Rufe mich an, wenn du etwas brauchst…«
›Amelie, du falsches Aas.‹ Plötzlich war sie unzufrieden mit sich. Lügen und Halbwahrheiten waren sonst nicht ihr Stil. Morgen würde sie Hermann anrufen und ihm wahrheitsgemäß sagen, dass sie sich ausgezeichnet fühle und dass sie sich mit ihm aussprechen müsse. Es war an der Zeit, reinen Tisch zu machen, ja.
Gegen Mittag zwitscherte das Spielwerk über der Eingangstür und ein hochgewachsener Mann betrat den Laden. Teuflisch elegant, war das Erste, das Amelie zu ihm einfiel. Grauer, leicht taillierter Tuchmantel; rehlederne Handschuhe; Kaschmirschal; zu mattem Glanz polierte Schuhe, die verflixt nach Maßanfertigung aussahen. Kein Hut. Eisgraues, etwas schütteres Haar. Nicht mehr ganz jung…Amelie sah ihm ins Gesicht und stutzte. Sie hatte diesen Mann schon irgendwo gesehen! Als er sich leicht verbeugte und ihr einen guten Morgen wünschte, starrte sie ihn schweigend mit weit aufgerissenen Augen an, und plötzlich wusste sie, wer er war. »Leopold Bartenberg«, rief sie und ärgerte sich, dass sie zu laut geworden war.
Bartenberg verneigte sich noch einmal. Er lächelte. Gewinnend, fand Amelie und lächelte zurück. Die Augen des Mannes verengten sich interessiert, ehe er mit ausnehmend klarer Stimme im typischen Ton der im Aussterben begriffenen Wiener Patrizier zu sprechen begann.
»Es ist eine Freude, erkannt zu werden, wo man gern erkannt sein möchte. Wobei ich nicht weiß, wie ich zu diesem Vergnügen komme.«
»Ich habe Ihr Foto bei Hofrat Hofeneder gesehen.« Amelie hätte was drum gegeben, wenn sie statt des flachen Satzes eine brillant formulierte Erklärung zustande gebracht hätte.
Wieder lächelte Bartenberg. ›Noch ein solches Lächeln, und ich bin dem Menschen verfallen‹, dachte Amelie und fragte sich, was ihn wohl in ihren Laden verschlagen hatte.
»Es war
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