Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Amelie und die Liebe unterm Regenschirm

Amelie und die Liebe unterm Regenschirm

Titel: Amelie und die Liebe unterm Regenschirm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanna Molden
Vom Netzwerk:
schwarzer Gummihäute kam zum Vorschein.
    »Nein, solche meine ich nicht«, sagte Amelie, während sie eines der labbrigen Dinger mit spitzen Fingern hochhielt und von allen Seiten begutachtete.
    »Aber andere Galoschen gibt es nicht, gnädige Frau«, sagte die Geschäftsführerin geduldig.
    »Vielleicht hat es früher einmal andere gegeben?«, versuchte es Amelie erneut, holte ihre Zeichnung hervor, entrollte sie und hielt sie der Frau unter die Nase.
    Amelie war eine gute Zeichnerin und ihre Darstellung der beiden schwarzgrün umhüllten Füße gelungen. Die Geschäftsführerin betrachtete sie genau. »So etwas ist mir noch nie untergekommen«, meinte sie schließlich. »Und meiner Ansicht nach sind das keine Galoschen, sondern Gamaschen. Galoschen zieht man bei Nässe zum Schutz der Sohlen und des Seitenleders über den Schuh wie eine Socke. Das heißt, bei Galoschen wäre die Verschnürung des Schuhs beziehungsweise das Oberleder zu sehen.« Mit dem Finger deutete sie auf Amelies Zeichnung, um zu unterstreichen, was sie meinte, und fuhr fort. »Sehen Sie, in Ihrem Fall ist das Oberleder vom schwarzen Material total bedeckt, die grüne Umrandung verläuft um den Sohlenrand und nach oben wie eine Ziernaht. Kein Verschluss sichtbar – nein, ich bin sicher, was hier aufgezeichnet ist, sind Gamaschen.«
    »Und haben Sie…?«
    »Nein, gnädige Frau, tut mir leid, wir führen keine Gamaschen. Fragen Sie doch einmal in einem Geschäft für Jagdausrüstung nach. Ich glaube, da gibt es so etwas. Nicht so elegant wie diese hier, viel derber, aber…«
    Zwei Jagdgeschäfte. Lokalaugenschein. Erschöpfende Auskunft über Jagdgamaschen. Keine Frage, Jagdgamaschen spielten in einer anderen Liga als der extravagante Schuhschutz von Amelies Phantom. Immerhin verdankte sie der Recherche bei den Weidmännern einen Tipp, den sie weiterverfolgen würde: der Maßschuhmacher in der übernächsten Seitengasse; wenn jemand über elegante Gamaschen im Allgemeinen und die schwarzgrünen der Dame im Besonderen Auskunft geben könne, so der Senior des stadtbekannten alten Handwerksbetriebes.
    Ein wunderbarer Laden.  k. und k. Hofschuhmacher . Schwarzes, goldgerahmtes Geschäftsschild. Zwei Schaufenster, sparsam bestückt mit edlen, sicher ungeheuer teuren, auf hölzerne Leisten gespannten Schuhen für die Dame und den Herrn und den glänzendsten, handgemachten Reitstiefeln Mitteleuropas. Zwei Stufen in den Empfangsraum, dessen Eleganz in seiner Schlichtheit liegt. Schimmernde Hölzer, nüchtern verbaut. Der Duft von Holz und Leder. Weihevolle Stille, die Exklusivität vermittelt.
    Ein höflicher Junior holte auf Amelies Bitte den Senior aus den unsichtbaren Tiefen der Werkstatt. Nichts Devotes war an der Verbeugung und dem Gruß des älteren Mannes. Ein Herr, dachte Amelie und überlegte etwas bange, wie sie ihr Anliegen vorbringen sollte.
    »Man hat mich an Sie wegen Ihres Fachwissens verwiesen. Ich bitte Sie um Ihre Hilfe in einem privaten Kriminalfall«, begann sie und wusste im selben Augenblick, dass sie das Falsche gesagt hatte. Das Gesicht des Meisters wurde um eine Idee abweisender, er schwieg. Amelies Brauen schwangen auf und nieder. ›Der ist diskret wie mein Frauenarzt, der fürchtet, dass ich etwas über einen Kunden wissen möchte.‹ Rasch entrollte sie ihre Zeichnung und hielt sie ihm vors Gesicht. »Halten Sie es für möglich, dass es irgendwo in dieser Stadt noch solche Dinger gibt?« Sie lächelte den Meister an. Einmal mehr verfehlte ihr Lächeln seine Wirkung nicht.
    Das Gesicht des Mannes entspannte sich, er nahm das Blatt in die Hand, senkte die Brille von der Stirn auf den Nasenrücken und betrachtete die Zeichnung. »Gamaschen. Um die Jahrhundertwende, würde ich sagen. Wahrscheinlich eine Sonderanfertigung«. Er überlegte ein wenig, ehe er fortfuhr. »Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass es in irgendeinem Haushalt, auf irgendeinem Dachboden dieser Stadt noch ein Paar solcher Gamaschen gibt. Vielleicht kann man an sie herankommen, wenn man eine diesbezügliche Annonce in eine Zeitung setzt.« Er reichte Amelie das Blatt zurück. »Kann ich sonst noch irgendwie behilflich sein?«
    Amelie zögerte. »Nein, danke sehr, Sie haben mir ja schon geholfen, bitte verzeihen Sie, dass ich Sie gestört habe.« Wie ein verlegenes Schulmädel knetete sie ihre Wollmütze in der Linken, während sie ratlos auf das Blatt in ihrer Rechten starrte. »Ich wüsste halt nur so gern, wer solche Gamaschen getragen hat. Welcher

Weitere Kostenlose Bücher