Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Amelie und die Liebe unterm Regenschirm

Amelie und die Liebe unterm Regenschirm

Titel: Amelie und die Liebe unterm Regenschirm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanna Molden
Vom Netzwerk:
andernfalls hätte sie das Folgende gedacht, aber nicht ausgesprochen. »Weißt du, wie ich mich fühle, Lorenz?«, sagte sie laut und frohgemut. »Manchmal fühle ich mich wie die Krone der Schöpfung. Und manchmal wie der Arsch der Welt.«
    Diese Ambivalenz hielt an. Wenn Amelie im Laden saß und an der Puppenstube arbeitete, dachte sie an nichts als deren perfekte Wiederherstellung, Gedanken an den miserablen Geschäftsgang kamen dabei gar nicht auf. Sowie sie jedoch auf den Hängeboden im Salettl geklettert war, um sich ans Schlafen zu machen, überfielen sie nagende Existenzängste und stahlen ihr die Nachtruhe. Wenn sie in den Prater radelte und durch die Hauptallee fegte, fühlte sie sich frei wie der Wind. Sobald sie auf einer Bank rastete und eng umschlungene Pärchen an ihr vorüberflanierten, kam ihr zum Bewusstsein, dass dies der erste Frühling ihres erwachsenen Lebens war, den sie ohne Gefährten zubrachte. Dann tat sie sich ungemein leid. Keine Innenschau, Lenz, befahl sie sich in solchen Momenten, sprang auf und setzte sich wieder in Bewegung, um nicht nachdenken zu müssen.
    In den ersten Apriltagen rief Josef an, um zu fragen, ob Amelie die Absicht habe, zu Ostern nach Hause zu kommen. »Eher nicht«, meinte sie unentschlossen, »zu viel zu tun.« Letzteres war gelogen. Kaum war die Antwort heraus, bereute sie sie auch schon. Sie hätte die Nähe und Wärme der Eltern jetzt gut gebrauchen können.
    Zu spät. Denn der Vater sagte fröhlich: »Macht nichts, dann fahren Mutter und ich am Palmsonntag in den Süden. Siena und Arezzo. Arezzo hatten wir schon lange vor.«
    »Siena und Arezzo«, murmelte Amelie trübselig und kehrte zu ihrer Puppenstube zurück.
    Sie stand im Licht der Halogenleuchte auf Amelies Schreibtisch. Rundum Häufchen von Brokat, Filz, Spitzen und Tapete. Klebstoffe, verschiedene Pinsel, Farben und Lacke. Amelie nahm ein Sitzbänkchen zu Händen, das nicht länger als sieben Zentimeter und sicher nicht höher als zwei Zentimeter war und das sie mit einer Polsterung aus rosa Damast versehen wollte. Sie hatte Klebstoff an den Fingern und keine Hand frei, um sich an der Nasenspitze zu kratzen, welche juckte, als die Eingangstüre zwitscherte. Sie schielte durch den Vorhang ihres ins Gesicht fallenden Haares und machte den Eintretenden nur undeutlich aus. Ein großer, schwerer Mann. Seine Züge waren im Gegenlicht nicht zu erkennen. Er sagte »Grüß Gott«. Gott in aufsteigendem Tonfall, was dem Gruß eine erwartungsvolle Note verlieh.
    Mit dem Handrücken strich Amelie ihr Haar aus der Stirn. »Ja bitte?«, sagte sie, statt den Gruß zu erwidern.
    Der Mann trat nicht näher. Er stand da und musterte sie schweigend. Unwillkürlich sah Amelie an sich herunter. TShirt und Jeans waren mit Farbe und Kleister bekleckert. Kämpferisch hob sie ihr Kinn und fragte ohne einen Funken Verbindlichkeit: »Kann ich etwas für Sie tun?«
    »Ich möchte den Bären kaufen«, sagte der Mann. Er deutete auf August in seinem Stühlchen. Er fragte nicht nach dem Preis. Seine Stimme war angenehm tief und bestimmt.
    Amelie trat hinter den Bären, als müsse sie ihn beschützen. »August ist unverkäuflich.« Es klang abweisend. Als ihr bewusst wurde, dass ihr Benehmen ausgesucht unfreundlich war, riss sie sich zusammen. »Vielleicht kann ich Ihnen etwas anderes zeigen?« Sie wischte ihre Hände am Hosenboden ab, kam hinter Augusts Stühlchen hervor auf den Mann zu, sah ihm ins Gesicht und stutzte. »Kennen wir uns nicht?«, fragte sie. Ehe er antworten konnte, schlug sie sich mit der farbbeschmierten Hand an die Stirn. »Klar!«, rief sie aus, »jetzt weiß ich es wieder! Sie sind mit Doktor Bartenberg hier gewesen. Verzeihen Sie, dass ich Sie nicht gleich erkannt habe, Sie sind… Sie sind der Neffe!«
    »Daniel Bartenberg.« Er deutete eine Verbeugung an und betrachtete sie schmunzelnd. »Sie tragen Kriegsbemalung, Frau Lenz. Ich hoffe, sie gilt nicht mir.« Als Amelie ihn verständnislos ansah, streckte er seine Hand aus, seine Finger waren dicht vor ihrem Gesicht, deuteten auf verschiedene Punkte, ohne sie zu berühren. »Karmesinrot, Preußischblau, Schneeweiß… Ich fürchte, ich komme ungelegen.«
    »Aber nein, gar nicht.« Endlich besann sich Amelie auf ihre Rolle als Geschäftsfrau. Sie bat ihn, sich umzusehen. Wenn er sich ein wenig gedulden wolle? Sie werde umgehend mit sauberen Händen und entfärbtem Gesicht zurückkehren und ganz für ihn da sein. Ehe sie durch die Tür zum Hof in Richtung Klo

Weitere Kostenlose Bücher