Amelie und die Liebe unterm Regenschirm
ineinander verstrickt. Zwischendurch gab es kühlen weißen Wein und Snacks. Amelie fand sich total verändert, aber sie reflektierte diese Tatsache nicht. Sie gab sich einfach hin. Verweigerte sich keiner von Gregors Varianten. Wurde mitunter selbst erfinderisch. Blinzelte mit halb geschlossenen Augen in den Spiegel über der Matratze und zog immer wieder den Vergleich zwischen Gregor und einem Aal. Hermann hatte wie ein Hackbeil geliebt. Max den Maler und seine Raffinessen hatte sie verdrängt. An die der Kanaille Franz konnte sie sich gar nicht mehr erinnern. Gregor hingegen…er liebte wie ein unanständiger Aal.
Das vorläufige Ende kam unvermittelt. Als Gregor ihr im Laufe der fünften gemeinsamen Nacht beiläufig mitteilte, dass er am nächsten Morgen nach Mailand müsse, wusste sie zunächst nicht, was sie darauf sagen sollte. Sie hatten bisher so wenig gesprochen. Ihre Körper kannten sie aus dem Effeff, aber voneinander wussten sie so gut wie nichts.
Wie lange bleibst du fort? Wann kommst du wieder? Fragen wie diese wären nahe liegend gewesen. Stattdessen sagte sie ohne direktes Apropos: »Und was ist, wenn ich schwanger bin?«
Gregor setzte sich ruckartig auf und sah auf sie herunter. »Was, du verhütest nicht?«, fragte er ziemlich fassungslos.
»Dir ist das Verhüten auch nicht in den Sinn gekommen«, erwiderte sie schnippisch.
Gregor betrachtete sie nachdenklich. Dann strich er ihr das Haar aus der Stirn. Es war eine zärtliche Geste. »Macht nichts, wenn du schwanger bist. Dann heiraten wir eben. Aber besser wäre es schon, wenn wir noch etwas mehr Zeit hätten.«
Zeit wozu, dachte Amelie flüchtig und beruhigte ihn. »Es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass ich schwanger bin. Ich habe nie verhütet und nichts ist je passiert. Mein Frauenarzt hat schon vor Jahren irgendwo in mir einen Knick festgestellt. ›Retroversion‹, hat er gesagt. Das erschwere die Empfängnis.« Als Gregor dazu schwieg, stand sie auf und begann, sich anzuziehen. »Du musst morgen sicher früh aufstehen. Ich gehe jetzt nach Hause«, sagte sie flach. Und schließlich doch, verloren wie ein alleingelassenes Kind: »Wann kommst du wieder?«
Er sprang auf, zog sie an sich und wiegte sie. »In zehn Tagen bin ich wieder da«, murmelte er in ihr Haar. Nach einer Weile schob er sie von sich und musterte sie lächelnd: »Ich habe eine Bitte, Liebling. Kauf dir etwas Hübsches, während ich weg bin. Keine Schlabberhosen, keine sackartigen Jacken, etwas Feminines. Ein tailliertes Kleid oder einen schwingenden Rock, etwas, das deine Beine zeigt…« Als er ihr Erstaunen bemerkte, setzte er forsch hinzu: »Sobald du bei mir in Mailand bist, kaufe ich für dich ein. Den Männern soll bei deinem Anblick der Atem stocken…«
Amelie unterbrach ihn. »Wann werde ich in Mailand sein?« Als sie darauf keine Antwort erhielt, fragte sie kühl: »Kann ich dich in Mailand erreichen?«
Er ließ sie los. »Das ist kompliziert…Ich bin schwer zu erreichen, ich bin viel unterwegs.« Als er sah, wie Amelies Augenbrauen sich langsam hoben, fügte er rasch hinzu, »weil ich noch keine Wohnung in Mailand habe. Ich bin auf der Suche, vorläufig wohne ich in einer Pension. Du könntest mich am Mobiltelefon erwischen…Nein, auch nicht gut, es ist meistens ausgeschaltet… Ich werde dich anrufen. Täglich, stündlich werde ich dich anrufen.«
Gregor Freytag kam nicht nach zehn Tagen wieder, er blieb drei Wochen fort. Er rief nicht stündlich, nicht einmal täglich an, er meldete sich zu den unterschiedlichsten Tageszeiten, und dann war er oft schlecht zu verstehen. Es rausche so schrecklich, ob er an einem Bach sitze, hatte Amelie einmal gefragt. Er sei im Auto unterwegs, abends aus seiner Pension werde er sie wieder anrufen. Darauf wartete Amelie vergebens. Stattdessen weckte er sie einige Male mitten in der Nacht. Er liege einsam in seinem Bett, die Sehnsucht nach Amelie schüttle ihn…dann raunte er so lange Laszives ins Telefon, bis Amelie zu stöhnen begann.
Es waren die Gamaschen, die erste Zweifel an Gregors Identität mit dem Phantom in ihr weckten. Es war Mitte Mai und plötzlich ziemlich warm geworden. Amelie kramte in ihrem Schrank nach dünnen TShirts, als ihr die Gamaschen in die Hände fielen. Ihr erstes Rendezvous mit Gregor, der Tisch im Café Landtmann, die zitternde Erwartung, dem herbeigesehnten Unbekannten endlich gegenüberzustehen, wurde unvermittelt wieder lebendig. Sie hockte auf dem Boden vor dem Schrank, starrte auf die
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