Amelie und die Liebe unterm Regenschirm
erschrocken.
»Du bist weiß wie die Wand, ist dir schlecht?« Einen Augenblick schien Gregor besorgt. Dann kümmerte er sich gebärdenreich um ein Taxi.
Sobald sie im Taxi saßen, fiel er geradezu über sie her. Seine Hände waren überall gleichzeitig. Der türkische Taxifahrer zeigte seine Missbilligung, indem er den Rückspiegel wegdrehte. Amelie war das peinlich, sie schob Gregors Hände weg. Er lachte wie ein Kind, das das Ende eines Spiels nicht begreifen will, und schon waren seine Hände wieder da. Nach einer halben Stunde hatten sie die Stadt erreicht. Amelie verrenkte den Hals, um an Gregor vorbei die Umgebung zu sehen. »Schau, dort drüben, das muss das Kastell sein«, rief sie.
»Schau nicht den alten Kasten an, schau mich an«, murmelte er erregt, denn eine seiner Hände war zwischen ihren Beinen verschwunden.
Das Hotel lag hügelaufwärts über der alten Stadt. Weiße, ineinander geschachtelte Kuben, ein paar staubige Palmen, brütende Hitze. Obwohl bereits früher Nachmittag, war das Zimmer noch nicht bezugsfertig. Sie nahmen in einem menschenleeren Innenhof mit Blick auf den menschenleeren Swimmingpool Platz. Die Hitze hatte offenbar alle Gäste vertrieben. Gregor winkte einem Kellner, der im Inneren des Hauses unter einem Ventilator verharrte und sich nur widerwillig näherte.
»Bist du hungrig, willst du etwas essen?«, fragte Gregor.
Amelie schüttelte matt den Kopf.
»Gut. Ich habe sowieso nur Halbpension genommen. Der Hitze wegen.«
Ihm selbst schien die Hitze nichts anzuhaben. Er bestellte Bier für sich und Cola für Amelie, sah sich unternehmungslustig um und verkündete schließlich, dass er jetzt eine Runde schwimmen werde.
Amelie hing lethargisch im Korbstuhl und beobachtete aus halb geschlossenen Augen wie Gregor in seiner Tasche wühlte, im Haus verschwand und in einer grell gemusterten, todschicken Badehose wieder auftauchte. Er sprang in den Pool und schwamm ein paar Bahnen und planschte dann vergnügt wie ein Kind herum. Später kam er auf sie zu. Amelie betrachtete seinen schönen schmalen Körper, sah die Wassertropfen auf seinem flachen glatten Bauch glänzen und empfand nicht die geringste Erregung. »Was nicht ist, kann ja noch werden«, flüsterte sie vor sich hin und wünschte sich nichts sehnlicher als ein Bett für sich allein, um zu schlafen, bis es endlich kühler sein würde. Aber es wurde nicht kühler, eine ganze Woche lang wurde es kein bisschen kühler.
Um drei Uhr am Nachmittag konnten sie endlich ihr Zimmer beziehen. Kaum war die Tür hinter dem Hotelpagen ins Schloss gefallen, manövrierte Gregor Amelie in die Nähe des nächststehenden Betts, gab ihr einen Schubs und warf sich auf sie.
»Bitte Gregor, nicht, ich habe Kopfweh! Und ich möchte erst duschen!« Das hätte sie sich schenken können. Hastig streifte er ihr die Kleider vom Leib und begann mit einem ungeduldigen Vorspiel, das bei ihr zu rein gar nichts führte.
»Du warst schon besser, Liebling«, war alles, was Gregor nach dem Akt zu sagen wusste.
Erst nach Einbruch der Dunkelheit ließ Amelies bleierne Müdigkeit ein wenig nach. Sie saßen auf der Terrasse, nahmen Drinks und hatten einander wenig zu sagen. Auf Amelies Fragen, ob Gregor tatsächlich seinen Job wechseln würde, antwortete er ausweichend. Er kam auf Wien zu sprechen und erzählte wortreich, dass die alte Schauerbude in der Wohllebengasse nun endgültig in andere Hände übergegangen sei. Amelie empfand fast so etwas wie Bedauern. Dieses abgehobene Lustgefühl, das sie auf der Matratze vor dem Spiegel gepackt hatte, das wollte sich nicht wieder einstellen.
Auf einer Matratze sollte sie freilich früher liegen, als ihr lieb war. Sie aßen spät zu Abend. Gregor hatte sich in einen Wortwechsel mit einem Kellner verstrickt, weil er im Freien essen wollte, der Kellner blieb stur, sämtliche Mahlzeiten würden im klimatisierten Speisesaal serviert. Den Tisch, der ihnen zugewiesen wurde, hätte Josef Lenz als Katzentisch bezeichnet: Er stand unmittelbar neben dem Eingang zur Küche. An der Glaswand, die an die Terrasse grenzte, hatte man vor allem türkische Gäste platziert. Gut aussehende Leute mittleren Alters. An den Tischen rund um Gregor und Amelie saßen deutsche, holländische und österreichische Eltern mit sonnenverbrannten, müden, quengelnden Kindern. Als Amelie Gregor fragte, ob er daran denke, einmal selbst Kinder zu haben, schüttelte er sich übertrieben. Igitt, nur wenn’s unbedingt sein müsse! Um gleich darauf
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