Amelie und die Liebe unterm Regenschirm
Amadé unter die Haut gegangen ist.« Das Laufwerk des Zebras schnarrte ein wenig, sachte setzte Uli das Spielzeug vor sich auf den Glastisch. »Weißt du, Ludwig ist nicht einer fürs bedenkenlose sexuelle Abenteuer.« Seine Stimme klang ein wenig heiser, er räusperte sich, ehe er fortfuhr. »Darum hatte ich auch so große Angst, ihn zu verlieren. Ich wusste, dass es tief bei ihm ging.« Wieder machte er eine Pause, Amelie wartete still. »Schließlich und endlich sind wir beide zur Erkenntnis gekommen: Wir sind einander Lebensmensch.« Er lächelte. Wieder nicht verschmitzt, eher gottergeben. »Und dass das nicht immer ein Honiglecken ist, wissen wir dank der Umständ jetzt auch.«
Nachdenklich wickelte sich Amelie eine Strähne ih res schweren Haares um den Zeigefinger. »Lebensmensch…«, sie seufzte elegisch, »glaubst du, dass ich jemals den meinigen finden werde?«
Uli beugte sich vor und suchte ihre Augen. »Aha! Der vom Sommer, der mit den Gamaschen, der war’s offenbar nicht!« Als sie nicht antwortete, fragte er hörbar hoffnungsvoll: »Ist er aus dem Spiel?«
Amelie nickte. »Da bin ich aber froh«, sagte er befriedigt. »Eine absolute Fehlbesetzung, dieser Kerl. Nichts für dich. Irgendetwas stimmt mit dem nicht.«
»Was heißt irgendetwas!« Theatralisch verdrehte Amelie die Augen. »Nichts hat mit ihm gestimmt, überhaupt nichts! Gregor Freytag ist der ärgste Windhund Mitteleuropas, und ich dumme Kuh bin auf ihn hereingefallen.« Sie blies die Backen auf und stieß die Luft heftig aus, ehe sie fragte: »Willst du die Geschichte hören?«
Sie erzählte, und Uli hörte schweigend zu. Manchmal schmunzelte er. Das tat Amelie wohl, weil es der Affäre Gregor etwas von ihrer Schwere nahm. Als sie geendet hatte, grinste Uli fast so fröhlich wie ehedem. »Hühnchen, du hast ein paar Federn gelassen, aber es hätte schlimmer enden können.«
»Noch schlimmer?«
»Naja, er hätte dich schwängern können.«
»Grauenhafte Vorstellung!«, Amelie schüttelte sich.
»Wenn ich bedenke…«, sagte sie nach einer Weile und stockte ehe sie fortfuhr, »dass ich um diesen Mann gebetet habe! Das musst du dir geben, Uli: Ich bin tatsächlich im Dom gewesen und habe auf Knien gebetet, dass ich den Gamaschenmann kriege.«
Uli war zwar nicht religiös, aber in seinem Wesen fromm, und er meinte, was er sagte. »Um allzu Diesseitiges sollte man die Himmlischen nicht bitten. Dafür sind sie nicht zuständig. Bitten kannst du um ihr Wohlwollen, um Frieden, allenfalls um Gesundheit…Apropos Gesundheit…« Er stand auf und streckte sich. »Weißt du, was wir jetzt machen? Wir zwei köpfen eine Flasche Sancerre und stoßen auf uns und eine fleckenfreie Zukunft an!«
Mitte Oktober fand Amelie eine Mieterin für ihren Laden. Auf ihre Annonce hatten sich bisher nur eine Änderungsschneiderin und eine Fußpflegerin gemeldet. Beide hatten sich an der verspiegelten Eleganz des Raumes eher gestoßen – mühsam zu putzen, wertlos fürs Geschäft – und waren nicht bereit, eine Sonderablöse für das Interieur zu zahlen. Anders die Schmuckdesignerin, die eines Morgens hereinwirbelte, sich umsah, ihr großflächiges Gesicht in sympathische Lachfalten legte und ohne Umschweife ihr Interesse an der Lokalität kundtat. Das sei exakt, was sie suche, falls der Laden noch zu haben sei, wolle sie ihn nehmen, wie er liege und stehe. Amelie und die junge Frau verbrachten einen durchaus vergnüglichen Vormittag, handelten die Bedingungen für die Übergabe aus und schieden unter der gegenseitigen Versicherung, sich nicht aus den Augen verlieren zu wollen.
In derselben Woche tauchte Josef Lenz unangekündigt im Laden auf. Amelie kniete am Boden vor einem der Schränke und war dabei, ihren Vorrat an antiquarischen Kinderbüchern nach Maßgabe ihres Seltenheitswerts zu sichten. Finster murmelte sie vor sich hin, dass sie neuerdings mehr Zeit auf Knien zubringe, als den Knien eines Menschen, welcher kein kirchliches Amt versehe, zuzumuten sei. Als sich zwei biedere braune Herrenschuhe in ihr Gesichtsfeld bewegten, sog sie vor Schreck die Luft ein, sprang auf die Füße, und fand sich Auge in Auge mit ihrem Vater.
»Jesus, wo kommst du denn so plötzlich her«, stieß sie atemlos hervor.
»Tut mir leid, dass ich dich erschreckt habe, mein Kind. Die Vögel an der Tür haben gezwitschert, aber du warst so versunken, dass du weder sie noch mich gehört hast.«
Er streckte beide Arme nach Amelie aus, fasste sie an den Schultern, beugte
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