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América

América

Titel: América Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Abscheu aus -, dann aber kam das Mädchen herein und brachte Kaffee und eine Platte mit Käsekuchen und Brioches. Es war eine willkommene Ablenkung, und als die elf Männer sich nun so profanen Tätigkeiten widmeten, wie das heiße Gebräu umzurühren, Zucker oder Süßstoff zu portionieren, mit Kuchenmesser und Gabel zu hantieren, zu kauen, zu schlucken und leise in sich hineinzurülpsen, senkte sich eine friedliche Stimmung über den Raum, die all die schlimmen Nachrichten von Vergewaltigungen, Einbrüchen und dem allgemeinen Zerfall und Niedergang der weh rings herum rasch vergessen ließ. Jemand schnitt das Thema Baseball an, und mit einem Gefühl echter Erleichterung stürzten sich alle auf diesen neuen Gesprächsstoff. Von den Hügeln hinter dem Haus erklang das ferne, atemlose Bellen eines Coyoten, dem fast augenblicklich ein anderer von Norden her antwortete.
    »Die Eingeborenen werden unruhig«, brummte Jack Cherrystone, und alle lachten.
    »Glaubt ihr, wir sollten sie hereinbitten?« fragte Bill Vogel. Er war ein großer, gespenstisch dünner Mann mit einer gewaltigen Sichelnase, deren Gewicht ihn vornüberzog. »Vermutlich haben sie es satt, immer nur rohes Rattenfleisch und so Zeug zu fressen - wenn ich ein Coyote wäre, hätt ich doch garantiert auch mal Appetit auf so ein Stück Käsekuchen.«
    Jack Cherrystone, dessen Kopf eigentlich zu groß für seine kleine Statur war und dessen Augen wiederum zu groß für seinen Kopf waren, wandte sich zu Delaney. »Ich denke, da würde Delaney Einspruch erheben«, sagte er, und seine Stimme schnitzte ganze Cañyons in den Boden. »Stimmt doch, Delaney, oder?«
    Delaney wurde rot. Wie viele im Raum waren an jenem Abend dabeigewesen, als er sich vor der ganzen Versammlung zum Narren gemacht hatte? »Ja«, sagte er und versuchte zu lächeln, »ja, das würde ich wohl.«
    »Was ist eigentlich aus der Sache mit der Arbeitsvermittlung geworden, Dom?« fragte Jack Jardine unvermittelt, und die grinsenden Mienen wandten sich von Delaney zu ihm und dann zu ihrem Gastgeber.
    Flood war aufgestanden und neigte gerade graziös den Kopf, um einen Schluck Kaffee aus der Tasse zu trinken, die er über der Untertasse in der Hand hielt. Er zwinkerte Jack zu, ging zu ihm, legte ihm den Arm um die Schulter und sprach zu allen Anwesenden. »Diese leidige Angelegenheit ist erledigt. War kein großes Problem, glaubt mir - nur ein paar Anrufe bei den richtigen Leuten. Joe Nardone von der Eigentümervereinigung Topanga Canyon Boulevard sagte mir, daß die Leute dort das ganze Projekt ohnehin bis obenhin satt haben - es war ein Experiment, das nicht funktioniert hat.«
    »Gut.« Jack Cherrystone saß jetzt auf einem Barhocker, und seine Beine reichten kaum bis zur unteren Sprosse. »Ich meine, ich bin so mitfühlend wie jeder andere auch, und es tut mir wirklich leid - ich kann mir gut vorstellen, daß die Eigentümer am Topanga Canyon Boulevard etwas für die Leute tun wollten, aber das Ganze war von Anfang an falsch angelegt.«
    »Das will ich meinen«, meldete sich Bill Vogel mit ziemlicher Vehemenz. »Je mehr man ihnen gibt, desto mehr verlangen sie, und desto mehr von ihnen kreuzen hier auf«, aber das professionelle Durchsetzungsvermögen von Jack Cherrystones Stimme absorbierte und übertönte seine Worte, und Jack fuhr einfach fort, ohne seinen Gedanken zu unterbrechen.
    »Denn wieso sollen wir diesen Leuten Jobs verschaffen, solange wir zehn Prozent Arbeitslose haben - hier in Kalifornien, und zwar unter unseren eigenen Staatsbürgern. Und außerdem möchte ich darauf wetten, daß die Kriminalität in der Gegend immens runtergehen wird, sobald dieser Laden geschlossen ist. Und wenn das noch nicht Grund genug ist, also, es tut mir leid, aber ganz ehrlich, ich mag's nicht, mich durch diese Typen durchdrängen zu müssen, wann immer ich zur Post will. Nichts für ungut, aber langsam sieht's da unten ja aus wie in Guadalajara oder einem anderen beschissenen Nest.«
    Dominick Flood strahlte. Er war der Gastgeber, der Herr des Hauses, der Mann der Stunde. Er zuckte verlegen die Schultern - was er getan hatte, war nichts, überhaupt nichts, nur ein kleiner Gefallen, sonst nichts, und sie konnten alle ruhig schlafen. »Heute in einer Woche«, verkündete er, »ist es aus mit der Arbeitsvermittlung.«
    Delaney dachte darüber nach, während Kyra zum Ende ihres Vortrags über Cynthia Sinclair kam: Kyra hatte an der Ecke von Shoup Avenue und Ventura Boulevard aufgeräumt, Dominick Flood

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