América
allmählich umfing, als sie sich auf den Weg über die Felsbrocken machte, die in der Schlucht herumlagen wie kaputte Zähne. Als sie den Fuß des Pfades erreichte, drehte sie sich schwungvoll um und blieb einen Moment lang stehen, von ziehenden Nebelschwaden eingehüllt. »Vielleicht will irgendwer den Boden gewischt oder den Backherd geputzt haben«, sagte sie, und ihre Worte wehten zusammen mit dem Lärm der unsichtbaren Autos weiter oben zu ihm herüber.
Er brauchte eine Weile, und als er antwortete, klang es, als hätte man ihm die Luft herausgelassen. »Ja«, sagte er und sank auf die Decke zurück. »Vielleicht.«
3
Die Wohnanlage Arroyo Blanco Estates lag am oberen Ende des Cañons, eingebettet in eine fächerförmige Senke, die ein längst versiegter Strom in den westlichen Hang gegraben hatte. Es war eine private Anlage, zu der ein Golfplatz, zehn Tenniscourts, ein Gemeinschaftsgebäude und etwa zweihundertfünfzig Eigenheime gehörten, die jeweils auf null-Komma-sechs Hektar großen Grundstücken standen und im Aussehen akkurat den Richtlinien, Vorschriften und Einschränkungen der 1973 Klauseln der Gründungsstatuten entsprachen. Die Häuser waren alle im spanischen Missionsstil entworfen und in einem von drei zugelassenen Weißtönen gestrichen, mit hellroten Ziegeldächern. Wer sein Haus himmelblau oder in provenzalischem Rosa mit froschgrünen Fensterläden haben wollte, dem stand es selbstverständlich frei, ins San Fernando Valley oder nach Santa Monica oder sonstwohin zu ziehen, aber wenn man sich in Arroyo Blanco Estates einkaufte, dann hatte man ein weißes Haus und ein hellrotes Dach.
Eines dieser Häuser (Grundriß # A227C, westernweiß mit navajoweißen Zierkanten) bewohnte Delaney Mossbacher gemeinsam mit seiner zweiten Frau Kyra, Jordan, dem Sohn seiner Frau, Osbert und Sacheverell, ihren fast identischen Dandie-Dinmont-Terriern, sowie ihrer Siamkatze namens Dame Edith. An diesem speziellen Morgen, dem Morgen, an dem Cándido Rincón das Gefühl bekam, die Kontrolle über seine Frau verloren zu haben, war Delaney wie üblich um sieben Uhr auf, um Kyra Kaffee zu kochen, Jordan ein Frühstück aus Obst, Müsli und einem Ballaststoffriegel zu verabreichen und dann Osbert und Sacheverell in den Garten zu lassen, damit sie ihren frühmorgendlichen Gepflogenheiten nachgehen konnten. Den unglücklichen Zusammenprall mit Cándido vier Tage zuvor hatte er zwar nicht vergessen - bei dem Gedanken daran zog sich ihm immer noch der Magen zusammen -, aber die Notwendigkeiten, Bedürfnisse und kleineren Ärgernisse des Alltags drängten ihn langsam in den Hintergrund. Im Augenblick konzentrierte er sich völlig darauf, das Morgenritual so rasch und effizient wie immer abzuwickeln. Effizienz ging ihm über alles.
Er machte eine Art Spiel daraus, indem er die Schritte zählte, die er brauchte, um die Fenster vor der Hitze des aufziehenden Tages zu schließen, den Kaffeesatz vom Vortag in den Kompostabfalleimer zu leeren, dann eine Orange, einen Apfel, eine Banane, zwei Kiwis und eine Handvoll Herzkirschen in ein Frischobst-Medley für Jordan zu verwandeln und den Tisch für zwei zu decken. Er schlitterte über den gefliesten Boden zum Geschirrspüler, riß die Schränke auf, wirbelte Teller und Besteck auf dem großen Eichenholztisch in die richtige Lage, während er nebenbei die Kaffeemaschine im Auge behielt, zwei Portionen Hundefutter in die Näpfe füllte und die Orangen auspreßte, die er zuvor im Garten gepflückt hatte.
Meist genehmigte er sich draußen eine kurze Rast, um die morgendliche Kühle einzuatmen und den erwachenden Blauhähern in den Nachbargärten zuzuhören, aber heute war er in Eile, und das einzige Geräusch, das in sein Bewußtsein drang, war ein merkwürdiges, aufgeregtes Kläffen von einem der Hunde - sie mußten im eingezäunten Garten hinter dem Haus irgend etwas aufgestöbert haben, ein Eichhörnchen oder eine Taschenratte -, und schon war er wieder in der Küche und preßte Orangen aus. Das war sein Job, jeden Morgen, pünktlich wie ein Uhrwerk: Orangen auspressen. Danach würde er durch das Haus flitzen, um Jordans Schulsachen, den Rucksack, die Lunchbox und die Baseballmütze einzusammeln, während Kyra an ihrem Kaffee nippte und zwölf verschiedene Vitamin- und Mineralientabletten mit einem halben Glas frischgepreßten Orangensaft hinunterspülte. Dann war es Zeit, Jordan zur Schule zu fahren, während Kyra ihr Make-up auftrug, in einen engen Rock mit dazu passender
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