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América

América

Titel: América Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Delaneys Wagen, als der Ärger näherrückte - Du bohnenfressender Scheißausländer, paß bloß auf, wen du anrempelst, sonst schwöre ich dir, daß ich deinen Arsch von hier bis Acapulco und zurück trete -, und jetzt kam auch der Angesprochene in ihr Blickfeld. Delaney sah die ausweichende Bewegung, das Schlurfen der Füße in den schmutzigen Sandalen aus Autoreifen, den nervösen Blick der rotgefleckten Augen und den Schnurrbart mit den grauen Stellen, und er erschrak, denn er erkannte den Mann wieder: alles begann von neuem.
    Er verspürte Wut und Scham zugleich - der Mann war ein Penner, kein Zweifel, der jetzt jemand anders belästigte -, andererseits sein Blick, dieses wortlose Flehen in den Augen, der Arm in der Schlinge und die eine Seite seines Gesichts mit Schichten von Schorf überzogen wie alte Farbe, all das ließ Delaneys Schuldbewußtsein wieder aufsteigen, eine Wunde, die nicht verheilen wollte. Sein erster Impuls war es, dazwischenzugehen und den Streit zu beenden, und doch wollte er aus irgendeinem perversen Grund diesen dunklen kleinen Fremden zermalmt und vernichtet sehen, für immer aus seinem Leben verbannt. Im selben Moment, gerade als Delaney schwankte, stürmte der vierschrötige Mann vor und versetzte dem Mexikaner einen Stoß, der ihn rückwärts gegen das Heck von Delaneys Wagen taumeln ließ. Man hörte den dumpfen Klang von Blech, den leisen Ausruf des Mexikaners, dann spie der große Mann, dessen Gesicht rot vor Wut war, einen letzten Fluch aus und machte auf den Absätzen kehrt.
    Jack jr. stand da wie angewurzelt, in den schwarzen Lederklötzen seiner Stiefel, und ballte die Fäuste. Jack sr. dagegen war ungerührt einen Schritt beiseite getreten, seine Bügelfalten fielen weiterhin lotrecht herab, sein Mund kräuselte sich angewidert. Delaney hatte gerade nach dem Autoschlüssel gegriffen, als das Handgemenge sich auf ihn zubewegte, und nun stand er rückwärts gegen den Kofferraum seines Autos gedrängt, die Einkäufe wie einen Schild vor die Brust gepreßt, die Schlüssel seltsam unnütz vom Finger baumelnd. Erstarrt sah er zu, wie der dunkelhäutige Mann unsicher auf die Beine kam und dabei Entschuldigungen in seiner dunklen Sprache murmelte. Der Mexikaner wirkte benebelt - oder auch geistesgestört. Er hob die schweren Lider und musterte trübe erst Jack, dann Jack jr. und schließlich Delaney. Aus dem Wageninneren drangen leise die dünnen, blechernen Geräuscheffekte von Jordans elektronischem Krieg. Lange stand der Mann so da und blinzelte Delaney direkt an, den Arm in diesem Lumpen von Schlinge, sein Gesicht eingesunken zwischen den Verletzungen, bis er sich abrupt abwandte und über den Parkplatz davonhumpelte, geduckt unter imaginären Schlägen.
    »Verstehst du jetzt, was ich meine?« fragte Jack.
    »Was soll man nur mit dem vielen Platz anfangen?« hörte Kyra sich fragen, und noch ehe die Worte über ihre Lippen kamen, wußte sie, daß sie etwas Falsches gesagt hatte. Sie hätte ausrufen müssen: Und sehen Sie nur, wieviel Platz hier ist! - in dem begeisterten Tonfall eines Marktschreiers -, aber irgendwie hatte sie dem Gedanken eine negative Wendung gegeben, denn die Frage deutete ja an, daß die Ausdehnung der hochglanzpolierten Böden und hohen Deckenbalken exzessiv, einfach übermäßig, irgendwie zuviel war, daß das Wohnzimmer die Maße eines Basketballfeldes hatte und allein das elterliche Schlafzimmer eine größere Fläche beanspruchte als die meisten Häuser - und wer brauchte so etwas überhaupt? Höchstens Menschen mit einem monströsen Ego, Parvenüs und Konjunkturritter. Nein, es war nicht die Sorte Frage, die eine Maklerin der Spitzenklasse stellte.
    Louisa Greutert warf ihr nur einen ganz kurzen überraschten Blick zu, aber es reichte. Kyra wußte, was sie dachte.
    Louisas Mann Bill - schlank, nervös, mit silbernem Haarkranz und dem Gesicht eines Asketen - schlenderte durch den riesigen Speisesaal, die Hände hinter dem Rücken verschränkt. Er war der Direktor seiner eigenen Firma, der Pacific Rim Investments, und hatte die letzten zwanzig Jahre in Bei Air gewohnt, die längste Zeit mit seiner ersten Frau, die das Haus als Teil der Scheidungsvereinbarung behalten hatte. Kyra schätzte ihn auf etwa Fünfundsechzig, obwohl er jünger aussah. Louisa war Ende Vierzig.
    »Wissen Sie, wir kennen die Da Ros privat«, murmelte Louisa und ließ ihre juwelenbestückte Hand über die Fläche eines eingebauten Geschirrschranks aus Mahagoni gleiten, »oder

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