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América

América

Titel: América Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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jenes üppigen Gemisches aus Düften, die man auf mexikanischen Märkten schnupperte - diese Leute sterilisierten ihre Lebensmittel ebenso wie ihre Küchen und Toiletten, allem und jedem trieben sie das Leben aus, sperrten das Essen in Gläsern und Dosen und Plastikfolien ein, wickelten ihr Fleisch, ja sogar den Fisch in Zellophan - dennoch ließen ihn der Anblick und die Nähe all dieser Nahrungsmittel weich in den Knien werden.
    Süßigkeiten, da war ein Regal mit Süßigkeiten direkt neben der Tür, lauter köstliche Sachen, mit denen sich der Hunger sofort stillen ließ. Kleine Kuchen, Schoko-Nuß-Riegel, bunte Bonbons. Und da drüben lagen Obst und Gemüse, erleuchtet wie auf einem Altar, pralle, reife Tomaten, Mangos, Wassermelonen, Maiskolben mit fetten Körnern, die gegrillt herrlich süß schmecken mußten. Er schluckte unwillkürlich. Blickte erst nach rechts, dann nach links. América war nirgends zu sehen. Sie mußte ihren Wagen durch einen der Gänge schieben. Mit möglichst nonchalanter Miene ging er an den Kassen vorbei und betrat dieses riesige Schlaraffenland.
    Säcke mit Haustierfutter, für Hunde und Katzen und Wellensittiche, Sprudelwasser in klaren Flaschen, Dosen voller Gemüse und Obst: gütiger Gott im Himmel, dieser Hunger! Er fand América vor einem Kühlregal, sie stand reglos und mit dem Rücken zu ihm, und er fühlte sich plötzlich schüchtern und demütig, wie ein ungebetener Gast, der sich bei einem Verhungernden zum Essen einlädt. Sie suchte gerade einen Karton mit Eiern heraus -  huevos con chorizo, huevos rancheros, huevos hervidos con pan tostado -, strich sich in einer unbewußten Geste das Haar aus dem Gesicht, während sie den Deckel behutsam öffnete, um nach beschädigten Schalen zu spähen. Er liebte sie in diesem Moment mehr als je zuvor, und er vergaß den Mercedes und den reichen Mann und die gabachos, die ihn auf dem Parkplatz attackiert hatten wie ein Rudel Hunde; dafür dachte er an heiße Suppe und Tortillas und daran, wie er sie mit dem neuen Lagerplatz überraschen würde, wo das Feuerholz zum Kochen schon bereitlag. Es würde alles wieder gut werden, bestimmt. »América!« krächzte er.
    Als sie ihm ihr Gesicht zuwandte, war es freudig, stolz und strahlend - sie hatte Geld verdient, ihr erstes Geld, und sie würden davon Essen kaufen, sich vollstopfen und schmausen, bis ihnen der Bauch platzte und die Zunge im Mund erlahmte -, aber ihre Augen, ihre Augen wichen seinem Blick aus, und er erkannte darin Spuren von Scham oder Kummer, die ihm warnend etwas zuriefen: »Was ist denn los?« wollte er wissen, und die schemenhafte Gestalt dieses reichen Kerls im Mercedes stieg wieder vor ihm auf. »Ist dir etwas passiert?«
    Sie senkte den Kopf. Dann griff sie in die Tasche und zog drei saubere, frisch gedruckte Banknoten hervor, zwei Zehner und einen Fünfer, und ihr Lächeln kehrte zurück. »Ich hab den ganzen Tag gearbeitet«, sagte sie, »und morgen gibt es auch wieder Arbeit, Buddhas putzen.«
    »Was? Was sollst du putzen?«
    Die gabachos beobachteten sie jetzt, aus allen Ecken des Ladens warfen sie ihnen verstohlene Blicke zu, während sie mit raschen Schritten in ihren chemisch gereinigten Kleidern vorbeihuschten, kleine Einkaufskörbe an die Brust gepreßt, starrten sie diesen armen Mann und seine Frau an, als hätten sie eine Seuche, als wären sie Verbrecher, die einen Mord planten. América antwortete ihm nicht. Sie legte die Eier in den Wagen, in das kleine Drahtkörbchen, das irgendein genialer gabacho zu diesem Zweck entworfen hatte, und blickte mit großen Augen zu ihm auf. »Aber du bist hier«, sagte sie. »Ich meine, du kannst wieder gehen. Du hast es den Cañon herauf geschafft.«
    Er zuckte die Achseln. Fühlte, wie sich sein Gesicht zu einer verzerrten Maske anspannte. »Hab mir Sorgen gemacht.«
    Ihr Lächeln erstrahlte, sie fiel ihm in die Arme, und er drückte sie fest an sich, zum Teufel mit den Gringos dieser Welt, dachte er. Und dann kauften sie ein - die verbilligten Tortillas, ein Pfund Hackfleisch, Eier, ein paar Packungen Reis und Bohnen, Kaffee und Milchpulver. Bald darauf wanderten sie in der Stille der hereinbrechenden Nacht wieder die Straße hinunter und teilten sich die Süße eines Mandel-Schoko-Riegels, die genüßlich in die geheimsten Winkel ihrer Münder floß.
    Bei schwindendem Licht stiegen sie den Pfad hinab, und als sie unten angekommen waren, war es dunkel. Cándido hielt seine Frau bei der Hand, während sie sich das

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