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América

América

Titel: América Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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nach der anderen grillte er sie, bis sie aufplatzten, und dann benutzte er eine Tortilla wie einen Handschuh, zog sie damit vom Holzspieß herunter und schob sie sich in den Mund, einen saftigen Bissen nach dem anderen. Und dazu der Wein natürlich. Er hob die Flasche, die anfangs noch schwer gewesen war, jetzt aber leichter wurde, der Wein brannte in seinem Magen, lief ihm aus den Mundwinkeln, und dann stellte er sie wieder ab, zwischen seine Beine in den Sand. Dies war der Ablauf, der Plan, die Summe seiner Bemühungen. Spieß, Würstchen, Wein.
    América, deren sonstige Formen im Gegensatz zu ihrem vom Baby veränderten Leibesumfang geradezu bescheiden wirkten, stand etwas abseits im Schatten der Hütte und probierte die Kleider an, die er ihr aus einem Laden der Wohlfahrt in Canoga Park mitgebracht hatte. Sie hatten dort in der Nähe gearbeitet, die Fassade an einem Wohnhaus restauriert, das gerade den Besitzer wechselte, und Rigoberto - der Indio, der für Al Lopez arbeitete - hatte ihm von dem Laden erzählt. Dort war es wirklich billig, es gab auch Umstandskleidung - riesige Shorts mit Blumenmuster und verstellbarem Hüftumfang, Kleider wie große Säcke, Cordhosen wie für einen Clown. Er hatte ein formloses Kleid mit Gummizug in der Taille ausgesucht - rosa, mit grünen Blumen bedruckt - und ein Paar Shorts. Sie hatte zwar Jeans haben wollen, etwas Robustes, das sie im Camp anziehen konnte, um ihre zwei Kleider zu schonen, aber es hatte wenig Sinn, ihr Jeans zu kaufen, die erst in drei oder vier Monaten wieder passen würden, deshalb hatte er als Kompromiß die Shorts gekauft. Sie konnte sie ja später enger machen.
    Das war alles schön und gut, aber er war betrunken. Mit Absicht, aus gutem Grund. Er war betrunken, weil er genug hatte von der ganzen Yankee-Gringo-Welt, wo ein Hund den anderen fraß und ein armer Mann wie auf dem Schlachtfeld kämpfen wußte, nur um nicht zu verhungern, er war betrunken, weil ihm Al Lopez nach drei Wochen halbwegs regelmäßiger Arbeit und dem Versprechen auf etwas Besseres einfach gekündigt hatte. Rigobertos Bruder, der krank gewesen war, hatte sich erholt und konnte wieder arbeiten. Einen Leistenbruch hatte er gehabt, und er hatte sich von Gringo-Doktoren im Krankenhaus zusammenflicken lassen, das war kein Problem, denn er hatte Papiere, la tarjeta verde, die grüne Karte - er war legal. Cándido nicht. »Habe ich denn nicht gut gearbeitet?« fragte er Al Lopez. »Hab ich nicht alles gemacht, was Sie mir aufgetragen haben, hab ich nicht geschuftet wie ein menschlicher burro und mir ein Bein für Sie ausgerissen?« »Stimmt schon«, hatte Al Lopez geantwortet, »aber darum geht es nicht. Du hast keine Papiere, und Ignacio hat welche. Deinetwegen könnte ich Ärger kriegen. Großen Ärger.« Und dann hatte Cándido Würstchen und Wein gekauft und war betrunken nach Hause gekommen, mit dem Kleid und den Shorts in einer Papiertüte, und jetzt war er betrunken und betrank sich noch weiter.
    In drei Wochen hatte er fast dreihundert Dollar verdient, abzüglich ein bißchen was fürs Essen und für das Kleid, das er América damals gekauft hatte, das hübsche, aus dem Gringo-Geschäft. Damit blieben ihm gut zweihundertfünfzig Dollar übrig, doch das war nur die Hälfte von dem, was er für ein Auto brauchte, und ein Viertel der Kosten für eine anständige Wohnung, denn alle Vermieter - auch die mexikanischen - verlangten die erste und die letzte Monatsmiete im voraus, dazu noch eine Kaution. Das Geld war in einer Erdnußbutterdose aus Plastik unter einem Felsen hinter dem Autowrack versteckt, aber jetzt wußte er nicht, wie er diese Ersparnisse weiter vermehren sollte. Ohne Al Lopez hatte er nur einmal Arbeit gefunden, und auch dann nur für einen halben Tag zu drei Dollar die Stunde, Steine schleppen für eine Mauer, die irgendeine alte Dame um ihr Grundstück hochziehen wollte. Es war Ende Juli. Das trockene Wetter würde noch etwa vier Monate andauern, bis dahin würde América ihr Baby - seinen Sohn - bekommen haben, und dann brauchten sie einfach ein Dach über dem Kopf. Dieser Gedanke verdüsterte seine Laune, und als América nun mit ihrem Katzenlächeln in den Schein des Feuers trat, um ihm die weiten Shorts vorzuführen, herrschte er sie an.
    »Diese vagos«, begann er, und die Zunge lag ihm so schwer im Mund, als hätte er eine Schlange verschluckt, »die haben doch mehr gemacht als dir nur das Geld weggenommen, oder? Stimmt's nicht?«
    Ihr Lächeln erlosch. »Geh zum

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