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American Gods

American Gods

Titel: American Gods Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Gaiman
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Moccacino.
    »Ernsthafte Frage, meine Liebe. Selbstverständlich würde ich zugeben, dass Millionen und Abermillionen sich in deinem Namen beschenken und dass sie nach wie vor all die Riten deines Festes praktizieren, bis hin zum Suchen nach versteckten Eiern. Aber wie viele von ihnen wissen wirklich, wer du bist? Hä? Entschuldigen Sie, Fräulein?« Letzteres war an die Kellnerin gerichtet.
    »Möchten Sie noch einen Espresso?«, fragte sie.
    »Nein, meine Liebe. Ich habe nur gerade überlegt, ob Sie nicht vielleicht eine kleine Meinungsverschiedenheit unter uns klären könnten. Meine Bekannte und ich sind uns nicht darüber einig, was das Wort ›Ostern‹ eigentlich bedeutet. Wissen Sie es zufällig?«
    Die junge Frau sah ihn an, als wären zwischen seinen Lippen grüne Kröten zum Vorschein gekommen. Dann sagte sie: »Ich kenn mich mit diesem christlichen Zeug nicht aus. Ich bin Heidin.«
    »Ich glaube, es ist irgendwie Lateinisch oder so«, sagte die Frau hinter dem Tresen, »und bedeutet ungefähr: ›Christus ist auferstanden.‹«
    »Tatsächlich?«, sagte Wednesday.
    »Ja klar«, sagte die Frau. »Ostern. Genau wie die Sonne, die im Osten aufgeht.«
    »Der aufgegangene beziehungsweise auferstandene Sohn. Natürlich – eine Vermutung von einwandfreier Logik.« Die Frau lächelte und kehrte an ihre Kaffeemühle zurück. Wednesday sah die Kellnerin an. »Ich glaube, ich nehme jetzt doch noch einen Espresso, wenn Sie gestatten. Und sagen Sie, als Heidin, wen beten Sie da an?«
    »Anbeten?«
    »Ganz recht. Da tut sich Ihnen ja ein weites Feld auf, möchte ich mal annehmen. Also, wem errichten Sie Ihren Hausaltar? Vor wem beugen Sie die Knie? Zu wem beten Sie morgens und abends?«
    Ihre Lippen formten mehrfach Worte, die dann doch nicht kamen, bevor sie schließlich sagte: »Das weibliche Prinzip. Es ist eine Sache von Empowerment. Verstehen Sie?«
    »Tatsächlich? Und dieses weibliche Prinzip, hat das auch einen Namen?«
    »Das ist die Göttin in uns allen«, sagte die Frau mit dem Augenbrauenring. Ihr war die Farbe ins Gesicht gestiegen. »Sie braucht keinen Namen.«
    »Ah«, sagte Wednesday mit breitem Affengrinsen, »und veranstalten Sie ihr zu Ehren nächtliche Bacchanale? Trinken Sie Blutwein unter dem Vollmond, während scharlachrote Kerzen in silbernen Kerzenhaltern brennen? Treten Sie nackt ins schäumende Meer und singen ekstatisch zu Ihrer namenlosen Göttin, während die Wellen an Ihren Beinen züngeln und Ihre Schenkel lecken wie die Zungen von eintausend Leoparden?«
    »Sie machen sich über mich lustig«, sagte sie. »Wir machen überhaupt nichts von diesem Zeugs.« Sie holte tief Luft. Shadow vermutete, dass sie bis zehn zählte. »Irgendjemand noch einen Kaffee? Noch einen Moccacino für Sie, Ma’am?« Ihr Lächeln hatte jetzt wieder viel Ähnlichkeit mit dem, das sie zu ihrer Begrüßung aufgesetzt hatte.
    Beide schüttelten den Kopf, worauf die Kellnerin sich abwandte, um einen neuen Gast willkommen zu heißen.
    »Da«, sagte Wednesday, »haben wir jemand, der ›den Glauben nicht hat und das Vergnügen nicht kennen wird‹ – Chesterton. Heidnisch, jawohl. Also. Wollen wir auf die Straße rausgehen, Easter, meine Liebe, und die Übung wiederholen? Herausfinden, wie viele Passanten wissen, dass ihr Osterfest seinen Namen von Eostrae, der germanischen Göttin der Morgenröte, herleitet? Lasst mal sehen – ja, machen wir’s doch so: Wir befragen einhundert Leute. Für jeden, der Bescheid weiß, darfst du mir einen meiner Finger abschneiden und, wenn die mir ausgegangen sind, einen meiner Zehen; und für jeweils zwanzig, die es nicht wissen, verbringst du mit mir eine Nacht im Bett. Deine Chancen stehen hier weiß Gott gut – immerhin sind wir in San Francisco. Auf diesen abschüssigen Straßen laufen jede Menge Gottlose, Heiden und Wiccaner herum.«
    Ihre grünen Augen waren auf Wednesday gerichtet. Sie hatten, befand Shadow, genau die gleiche Farbe wie ein sonnendurchschienenes Blatt im Frühling. Sie blieb stumm.
    »Wir könnten es versuchen«, fuhr Wednesday fort. »Aber am Ende hätte ich alle meine zehn Finger, zehn Zehen und dazu noch fünf Nächte in deinem Bett. Also mach mir nicht weis, dass sie dich anbeten und deinen Festtag begehen. Sie brabbeln deinen Namen, aber er hat keine Bedeutung für sie. Nicht die geringste.«
    Tränen standen ihr in den Augen. »Das weiß ich«, sagte sie leise. »Ich bin doch nicht blöd.«
    »Nein«, sagte Wednesday. »Das wohl nicht.«
    Er ist zu

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