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American Gods

American Gods

Titel: American Gods Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Gaiman
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vorhanden war. »Hände hinter den Rücken«, sagte sie.
    Die Handschellen saßen recht eng, was auch an seinen breiten Handgelenken lag. Sie legte ihm zusätzlich Fußfesseln an und setzte ihn dann auf eine Bank, die am anderen Ende des Schalters an der Wand stand. »Gut«, sagte sie. »Wenn Sie mich nicht ärgern, ärger ich Sie auch nicht.« Sie drehte den Fernseher so, dass er den Bildschirm sehen konnte.
    »Danke«, sagte er.
    »Wenn wir erst unsere neuen Büroräume haben«, sagte sie, »hört dieser ganze Unfug auf.«
    Die Tonight Show ging zu Ende. Eine Folge von Cheers schloss sich an. Shadow hatte diese Serie nie richtig verfolgt. Er hatte nur eine einzige Folge davon gesehen – die, in der die Tochter von »Coach« ihn in der Bar besucht –, die allerdings gleich mehrfach. Es war Shadow aufgefallen, dass man von Serien, die man eigentlich nicht verfolgte, immer nur eine einzige Folge zu sehen bekam; es konnten Jahre dazwischenliegen, aber man erwischte immer wieder dieselbe. Es musste sich da um eine Art kosmisches Gesetz handeln.
    Officer Liz Bute lehnte sich in ihrem Schreibtischsessel zurück. Nicht, dass sie nachgerade eingedöst gewesen wäre, aber wach war sie jedenfalls auch nicht, daher bekam sie es nicht mit, wie die Cheers-Truppe aufhörte, sich gegenseitig mit witzigen Bemerkungen einzudecken, um stattdessen aus dem Bildschirm heraus Shadow anzustarren.
    Diane, die blonde Bardame, die sich für eine Intellektuelle hielt, ergriff als Erste das Wort. »Shadow«, sagte sie. »Wir haben uns solche Sorgen um dich gemacht. Du warst wie aus der Welt gefallen. Es tut so gut, dich wiederzusehen – sei es auch in Fesseln und orangefarbener Couture .«
    »Das Beste wäre es meines Erachtens«, dozierte der Barlangweiler Cliff, »während der Jagdsaison zu fliehen, wenn sowieso alle Orange tragen.«
    Shadow schwieg.
    »Ah, er hat die Sprache verloren, wie ich sehe«, sagte Diane. »Na, du hast uns jedenfalls eine fröhliche Jagd beschert!«
    Shadow wandte den Blick ab. Officer Liz hatte leise zu schnarchen begonnen.
    Carla, die kleine Kellnerin, fauchte: »He, du trübe Tasse! Wir unterbrechen jetzt das Programm und zeigen dir etwas, da pisst du dir ins Hemd. Bist du bereit?«
    Das Bild flackerte und wurde schwarz. Die Schrift DIREKTÜBERTRAGUNG pulsierte weiß auf der unteren linken Seite des Bildschirms. Eine gedämpfte weibliche Stimme, als Begleitkommentar eingesprochen, sagte: »Es ist mit Sicherheit noch nicht zu spät, zur Siegerseite überzuwechseln. Trotzdem, du hast auch die freie Wahl, dort zu bleiben, wo du bist. Das bedeutet es nämlich, Amerikaner zu sein. Genau das ist das Wunder Amerika. Freiheit des Glaubens bedeutet schließlich auch die Freiheit, das Falsche zu glauben. Wie auch die Rede freiheit dir das Recht gibt, den Mund zu halten.«
    Das Fernsehbild zeigte jetzt eine Straßenszene. Die Kamera schlingerte, nach Art der Handkameras im Reality-TV vorwärts.
    Ein braun gebrannter Mann mit sich lichtendem Haar und einem leicht zerknirschten Gesichtsausdruck füllte den Bildausschnitt aus. Er lehnte an der Wand und trank aus einem Plastikbecher Kaffee. Er blickte in die Kamera und sagte: »Terroristen verstecken sich hinter irreführenden Ausdrücken wie beispielsweise ›Freiheitskämpfer‹. Sie und ich wissen, dass sie nichts als eine Mörderbande sind, schlicht und einfach. Wir riskieren unser Leben, um etwas zu bewirken.«
    Shadow erkannte die Stimme wieder. Er war einmal im Kopf des Mannes gewesen. Von innen klang Mr. Town etwas anders, die Stimme war tiefer, volltönender, aber dennoch nicht zu verwechseln.
    Die Kameras fuhren zurück, und es erwies sich, dass Mr. Town vor einem Backsteingebäude in einer amerikanischen Straße stand. Über der Tür hingen Zeichendreieck und Kompass, die den Buchstaben G einrahmten.
    »In Position«, sagte jemand aus dem Off.
    » Lasst mal sehen, ob die Kameras in der Halle laufen«, sagte die weibliche Kommentarstimme.
    Der Schriftzug DIREKTÜBERTRAGUNG blinkte nach wie vor in der linken unteren Ecke. Es war jetzt ein Innenraum zu sehen, eine unzulänglich beleuchtete kleine Halle. Am entfernten Ende saßen zwei Männer an einem Tisch. Einer davon hatte der Kamera den Rücken zugewandt. Ein unbeholfener Zoom holte die Männer heran. Für einen Moment waren sie unscharf, dann wurde die Einstellung korrigiert. Der der Kamera zugewandte Mann erhob sich und begann, wie ein Bär an der Kette auf und ab zu gehen. Es war Wednesday. Er sah aus, als

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