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American Gods

American Gods

Titel: American Gods Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Gaiman
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stieß eine Tür auf und fand sich in einem verwahrlosten, mit klapprigen Möbeln voll gestellten Salon wieder. Auf dem Kaminsims brannte eine Öllampe. Im Kamin darunter knisterte ein Kohlenfeuer, obwohl sie auf dem Weg zum Haus keinen Rauch gesehen oder gerochen hatte. Das Feuer trug nichts dazu bei, die Kälte zu vertreiben, die Laura in diesem Zimmer empfand, wenngleich dies, das wollte sie durchaus einräumen, nicht unbedingt die Schuld des Zimmers sein musste.
    Der Tod bereitete Laura Schmerzen, wenn der Schmerz auch in erster Linie Dinge betraf, die nicht da waren: ein Durst, der sich anfühlte, als wäre jede einzelne ihrer Zellen ausgetrocknet; ein Mangel an Wärme in den Knochen, der allumfassend war. Manchmal ertappte sie sich bei der Überlegung, ob die knackig knisternden Flammen eines Scheiterhaufens ihr wohl genügend Wärme spenden würden oder gar die weiche, braune Decke der Erde; ob die kalte See ihren Durst löschen könnte …
    Das Zimmer, bemerkte sie, war nicht leer.
    Auf einer betagten Couch saßen drei Frauen, als stellten sie ein aufeinander abgestimmtes Ensemble in einer etwas ausgefallenen Kunstausstellung dar. Die Couch war mit fadenscheinigem Samt gepolstert, in einem verblichenen Braun, das einst vor hundert Jahren ein helles Kanariengelb gewesen sein mochte. Die Frauen folgten ihr mit den Augen, während sie den Raum betrat, sagten aber nichts.
    Laura hatte nicht ahnen können, dass sie da sein würden.
    Etwas wand sich und rutschte ihr durch die Nasenhöhle. Laura kramte in ihrem Ärmel nach einem Papiertaschentuch und schnaubte sich kräftig aus. Sie zerknüllte das Taschentuch, warf es mitsamt seinem Inhalt auf die brennenden Kohlen und beobachtete, wie es zerkrumpelte und erst schwarz wurde, bis es sich dann in orangefarbene Spitze verwandelte. Die Maden verschrumpelten, wurden braun und verbrannten.
    Nachdem sie das nun erledigt hatte, wandte sie sich wieder den Frauen auf der Couch zu. Sie hatten sich seit ihrem Eintreten nicht gerührt, mit keinem Muskel, mit keinem Haar gezuckt. Sie starrten zu ihr hin.
    »Hallo. Ist das Ihre Farm?«, fragte sie.
    Die größte der Frauen nickte. Ihre Hände waren ziemlich rot, ihr Gesicht ausdruckslos.
    »Shadow – also der, der da draußen am Baum hängt –, das ist mein Mann, und er sagt, ich soll Ihnen ausrichten, er möchte, dass Sie mir Wasser zu trinken geben.« Etwas Größeres bewegte sich in ihren Gedärmen. Es zappelte kurz, dann war es wieder ruhig.
    Die kleinste der Frauen kraxelte von der Couch herunter. Zuvor hatte sie mit ihren Füßen den Boden nicht berührt. Sie wieselte aus dem Zimmer.
    Laura hörte nacheinander durchs ganze Haus Türen aufgehen und sich wieder schließen. Von draußen hörte sie dann eine Serie lauter Quietschgeräusche. Jedesmal gefolgt von Wasserplatschen.
    Kurz darauf kehrte die kleine Frau zurück. Sie trug einen braunen Tonkrug voll Wasser, den sie vorsichtig auf dem Tisch abstellte, um sich sogleich zur Couch zurückzuziehen. Rutschend und zappelnd hievte sie sich hoch und nahm den Platz neben ihren Schwestern wieder ein.
    »Danke.« Laura ging zum Tisch, sah sich nach einem Becher oder Glas um, fand aber nichts dergleichen. Sie nahm den Krug in beide Hände. Er war schwerer, als er aussah. Das Wasser darin war vollkommen klar.
    Sie hob den Krug an die Lippen und begann zu trinken.
    Das Wasser war kälter, als man es bei Wasser in flüssigem Zustand für möglich halten würde. Es vereiste ihr die Zunge, die Zähne und die Speiseröhre. Dennoch trank sie weiter und konnte nicht damit aufhören, obwohl sie fühlte, wie das Wasser auf dem Weg zum Magen alles gefrieren ließ, die Gedärme, das Herz, die Adern.
    Das Wasser strömte in sie hinein. Es war wie flüssiges Eis.
    Sie bemerkte, dass der Krug auf einmal leer war, und stellte ihn überrascht auf den Tisch zurück.
    Die Frauen beobachteten sie ohne Anzeichen der Anteilnahme. Seit ihrem Tod hatte Laura nicht mehr in Metaphern gedacht. Die Dinge waren, wie sie waren, oder eben nicht. Jetzt jedoch musste sie, wo sie die Frauen so auf dem Sofa sah, an Schwurgerichte denken oder an Wissenschaftler, die Versuchstiere im Labor beobachteten.
    Plötzlich schüttelte es sie mit ungeheurer Heftigkeit. Sie streckte die Hand aus, um sich am Tisch abzustützen, aber der Tisch war ins Rutschen und Schlingern geraten und hätte sich beinahe ihrem Zugriff entzogen. Als sie die Hand endlich auf dem Tisch hatte, musste sie sich übergeben. Sie erbrach Galle und

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