American Gods
verabschieden.
Am meisten Vergnügen bereitete es Samantha Black, wenn sie das Café abends wieder schließen konnte. Das war unheimlich beruhigend: Es gab ihr das Gefühl, sie würde wieder Ordnung in die Welt bringen. Sie legte dann eine CD von den Indigo Girls auf und erledigte die abschließenden Arbeiten des Tages in ihrem eigenen Tempo und nach ihren eigenen Methoden. Als Erstes reinigte sie die Espressomaschine. Dann machte sie noch eine letzte Runde, um sich zu vergewissern, dass alle Teller und Tassen in die Küche zurückgebracht waren und dass die Zeitungen, die am Ende des Tages immer im ganzen Café verstreut lagen, eingesammelt und säuberlich neben der Eingangstür gestapelt waren, um ihrer Wiederverwertung zugeführt zu werden.
Sie liebte das Café. Es bestand aus einer langen, gewundenen Folge von Räumen, in denen Sessel und Sofas und niedrige Tische standen, und lag in einer Straße, die von Secondhand-Buchläden gesäumt war.
Sie deckte die übrig gebliebenen Stücke Käsekuchen ab und stellte sie über Nacht in den großen Kühlschrank, dann nahm sie ein Tuch und wischte letzte Krümel auf. Sie genoss es, allein zu sein.
Ein Klopfen am Fenster riss sie aus ihrer Versunkenheit und lenkte ihre Aufmerksamkeit auf die wirkliche Welt. Sie ging zur Tür und ließ eine etwa gleichaltrige Frau ein, die ihr purpurrotes Haar in Zöpfchen gebunden hatte. Ihr Name war Natalie.
»Hallo«, sagte Natalie. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und gab Sam genau zwischen Wange und Mundwinkel einen gezielten Kuss. Mit solch einem Kuss konnte man alles Mögliche ausdrücken. »Bist du fertig?«
»Fast.«
»Möchtest du ins Kino?«
»Klar. Gern. Ich hab hier aber noch gut fünf Minuten zu tun. Setz dich doch so lange und guck dir die Onion an.«
»Ich hab die Ausgabe von dieser Woche schon gelesen.« Sie setzte sich auf einen Sessel in der Nähe der Tür, stöberte in dem fürs Recycling freigegebenen Stapel Zeitungen, bis sie etwas von Interesse gefunden hatte, und begann zu lesen, während Sam das letzte Geld aus der Kasse sammelte und im Safe deponierte.
Seit einer Woche schliefen sie jetzt miteinander. Sam fragte sich, ob es das jetzt war, die Beziehung, auf die sie ihr ganzes Leben lang gewartet hatte. Sie rief sich in Erinnerung, dass es lediglich chemische Botenstoffe und Pheromone im Gehirn waren, die sie glücklich machten, wenn sie Natalie sah, und vielleicht war das schon alles; dennoch, unbestreitbar blieb, dass sie lächeln musste, wenn sie Natalie sah, und dass sie sich, wenn sie zusammen waren, aufgehoben und wohl fühlte.
»In dieser Zeitung hier«, sagte Natalie, »ist schon wieder so ein Artikel drin. ›Wandel in Amerika?‹«
»Und, gibt es einen?«
»Das sagen sie nicht. Sie meinen, vielleicht ja, aber sie wissen nicht, wie, und sie wissen nicht, warum, und vielleicht stimmt es auch gar nicht.«
Sam lächelte breit. »Tja«, sagte sie, »damit ist so ziemlich jede Möglichkeit abgedeckt, was?«
»Sieht so aus.« Natalie seufzte und kehrte zu ihrer Lektüre zurück.
Sam wusch das Spültuch aus und faltete es. »Ich glaube, es ist nichts weiter als die Tatsache, dass sich plötzlich alles so gut anfühlt, trotz Regierung und was weiß ich. Vielleicht Vorboten des Frühlings. Es war ein langer Winter, und was bin ich froh, dass er vorbei ist.«
»Ich auch.« Eine Pause. »In dem Artikel heißt es, dass viele Leute von seltsamen Träumen berichten würden. Ich kann eigentlich nicht behaupten, dass ich in letzter Zeit verrückte Träume gehabt hätte. Jedenfalls nicht verrückter als sonst auch.«
Sam blickte sich um, um noch einmal zu prüfen, ob sie etwas übersehen hatte. Nein, nichts. Eine angenehme Arbeit, zur besten Zufriedenheit ausgeführt. Sie band die Schürze ab und hängte sie in der Küche auf. Dann kam sie zurück und löschte die Lichter. »Ich hatte in letzter Zeit schon ein paar abgedrehte Träume«, sagte sie. »Die sind sogar so merkwürdig geworden, dass ich tatsächlich angefangen habe, ein Traumtagebuch zu führen, um alles aufzuschreiben, wenn ich aufwache. Wenn ich sie mir dann allerdings durchlese, ergeben sie überhaupt keinen Sinn.«
Sie zog sich ihren Mantel an und schlüpfte in die Einheitsgrößenhandschuhe.
»Ich habe mal ein bisschen Traumdeutung gemacht«, sagte Natalie. Natalie hatte schon ein bisschen von allem gemacht, von geheimnisvollen Selbstverteidigungstechniken über heilige Schwitzzeremonien bis hin zu Fengshui und Jazztanz. »Erzähl
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