Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
American Gods

American Gods

Titel: American Gods Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Gaiman
Vom Netzwerk:
und nahm sie wieder heraus – »jage ich mir eine Kugel durch den Kopf. Oder ich warte noch ein paar Tage, bis das Eis weitgehend weg ist, binde mir einen Betonklotz an die Beine und springe von der Brücke. Oder Tabletten. Herrje. Vielleicht sollte ich eine Weile herumfahren, raus in irgendwelche Wälder. Und da Tabletten nehmen. Möchte doch nicht, dass einer von meinen Leuten die Sauerei wegmachen muss. Soll sich der Bezirk drum kümmern, hm?« Seufzend schüttelte er den Kopf.
    »Sie haben Hinzelmann nicht getötet, Chad. Er ist schon vor langer Zeit gestorben, weit weg von hier.«
    »Nett, dass Sie das sagen, Mike. Aber ich hab ihn trotzdem getötet. Ich habe einen Mann kaltblütig erschossen, und dann habe ich die Spuren beseitigt. Aber wenn Sie mich fragen, warum um alles in der Welt ich das getan habe, dann kann ich es Ihnen ums Verrecken nicht sagen.«
    Shadow streckte die Hand aus und berührte Mulligan damit am Arm. »Diese Stadt hat Hinzelmann gehört«, sagte er. »Ich glaube, Sie hatten, was die Vorgänge da draußen betrifft, kaum eine andere Wahl. Ich glaube, er hat Sie irgendwie dorthin gerufen. Er wollte, dass Sie hören, was Sie gehört haben. Es war eine Art Falle für Sie. Für ihn war das wahrscheinlich der einzige Weg, hier wegzukommen.«
    Mulligans unglücklicher Gesichtsausdruck veränderte sich nicht. Shadow konnte sehen, dass der Polizeichef kaum etwas von dem aufnahm, was er ihm zu sagen versuchte. Er hatte Hinzelmann getötet und ihm einen Scheiterhaufen errichtet, und jetzt würde er, Hinzelmanns letztem Willen gehorchend, Selbstmord begehen.
    Shadow schloss die Augen und versuchte sich an den Punkt in seinem Kopf zu erinnern, den er aufgesucht hatte, als Wednesday ihn Schnee hatte machen lassen: den Punkt, der die Dinge bewegte, von einem Kopf zum anderen. Er legte ein Lächeln auf, das er nicht empfand, und sagte: »Chad. Lass es los.« Da war eine Wolke im Kopf des Mannes, eine dunkle, bedrohliche Wolke, Shadow konnte sie fast sehen, und er stellte sich vor, während er sich auf sie konzentrierte, dass sie sich wie der Morgennebel auflöste. »Chad«, sagte er nachdrücklich und versuchte die Wolke zu durchdringen, »diese Stadt wird sich jetzt verändern. Sie wird nicht mehr die einzige gute Stadt in einer krisengeschüttelten Region sein. Sie wird sehr viel mehr wie alle anderen Städte in diesem Teil der Welt sein. Es wird sehr viel mehr Probleme geben. Immer mehr Leute werden arbeitslos. Immer mehr Leute verlieren den Kopf. Immer mehr Leute tun sich gegenseitig weh. Immer mehr üble Sachen laufen ab. Man wird einen erfahrenen Polizeichef brauchen. Die Stadt braucht Sie.« Und dann sagte er: »Marguerite braucht Sie.«
    Etwas verschob sich in der Sturmwolke, die Chad Mulligans Kopf ausfüllte. Shadow konnte die Veränderung fühlen. Und dann strengte er sich noch mehr an, rief sich Marguerite Olsens praktisch veranlagte braune Hände vor Augen, ihre dunklen Augen und ihre langen, langen Haare. Er stellte sich vor, wie sie den Kopf zur Seite legte und andeutungsweise lächelte, wenn sie etwas lustig fand. »Sie wartet auf Sie«, sagte Shadow, und er wusste, während er das sagte, dass es so war.
    »Margie?«, sagte Chad Mulligan.
    Und in diesem Moment – hinterher hätte er nicht zu sagen vermocht, wie er es gemacht hatte, und er bezweifelte sehr, dass er es je würde wieder tun können – griff Shadow in Chad Mulligans Inneres hinein, ganz selbstverständlich, und er pflückte die Vorgänge jenes Nachmittags so präzise und leidenschaftslos heraus, wie ein Rabe das Auge aus einem überfahrenen Tier klaubt.
    Die Falten auf Chads Stirn glätteten sich, und er blinzelte schläfrig.
    »Gehen Sie Margie besuchen«, sagte Shadow. »War schön, Sie zu sehen, Chad. Passen Sie auf sich auf.«
    »Klar«, sagte Chad Mulligan und gähnte.
    Eine Meldung knisterte durchs Funkgerät, und Chad griff nach dem Handapparat. Shadow stieg aus dem Wagen.
    Er ging zu seinem Mietauto. Er sah das flache Grau des Sees im Mittelpunkt der Stadt. Er dachte an die toten Kinder, die auf dem Grund warteten.
    Bald würde Alison an die Oberfläche treiben …
    Als Shadow erneut an Hinzelmanns Hütte vorbeifuhr, sah er, dass aus der Rauchwolke inzwischen Flammen geworden waren. Er konnte bereits das Heulen einer Sirene hören.
    Er fuhr nach Süden zum Highway 51. Er war im Begriff, seiner letzten Verabredung nachzukommen. Aber vorher, dachte er, wollte er noch in Madison Halt machen, um sich zu

Weitere Kostenlose Bücher