American Gods
mir deine Träume. Ich analysiere sie dir.«
»Okay.« Sam schloss die Tür auf und löschte die letzten Lampen. Sie ließ Natalie hinaus, trat auf die Straße und machte die Eingangstür des Cafés fest hinter sich zu. »Manchmal habe ich von Leuten geträumt, die aus dem Himmel fielen. Manchmal bin ich unter der Erde und spreche mit einer Frau, die einen Bisonkopf hat. Und manchmal träume ich von dem Typen, den ich letzten Monat mal in einer Bar geküsst habe.«
Natalie schnaubte. »Etwas, was du mir hättest erzählen müssen?«
»Vielleicht. Aber nicht in dem Sinne. Es war ein Verpiss-dich-Kuss.«
»Du wolltest dem Typen damit sagen, er solle sich verpissen?«
»Nein, ich wollte damit allen anderen Anwesenden sagen, dass sie sich verpissen sollen. Man muss irgendwie dabei gewesen sein.«
Natalies Schuhe klapperten auf dem Bürgersteig. Sam stapfte neben ihr her. »Das Auto, das ich habe, gehört ihm.«
»Dieses lila Teil, das du bei deiner Schwester stehen hast?«
»Genau.«
»Was ist denn mit dem Typen los? Will er sein Auto nicht wiederhaben?«
»Keine Ahnung. Vielleicht sitzt er im Gefängnis. Vielleicht ist er tot.«
»Tot?«
»Glaub schon.« Sam holte tief Luft. »Noch vor zwei Wochen war ich mir sicher, dass er tot ist. Außersinnliche Wahrnehmung. Oder so. Also, irgendwie wusste ich’s jedenfalls genau. Aber dann hab ich angefangen zu glauben, dass er vielleicht doch nicht tot ist. Ich weiß nicht. Wahrscheinlich ist es nicht so weit her mit meiner ASW.«
»Und das Auto behältst du einfach?«
»Bis jemand kommt und es holt. Wahrscheinlich hätte er es auch nicht anders gewollt.«
Natalie sah Sam an, einmal, zweimal. Dann sagte sie: »Wo hast du denn die her?«
»Was?«
»Die Blumen. Die, die du in der Hand hältst. Wo kommen die plötzlich her? Hast du sie schon gehabt, als wir aus dem Café raus sind? Da hätte ich sie doch sehen müssen.«
Sam sah nach unten. Dann grinste sie. »Du bist ja so lieb. Ich hätte etwas sagen sollen, als du sie mir gegeben hast, oder?«, meinte sie. »Die sind reizend. Vielen Dank. Aber wäre nicht Rot angemessener gewesen?«
Es waren Rosen, die Stängel mit Papier umwickelt, sechs Stück mit weißen Köpfen.
»Die kommen nicht von mir.« Natalie zog die Lippen straff.
Beide sagten sie kein weiteres Wort mehr, bis sie im Kino waren.
Als Sam in jener Nacht nach Hause kam, stellte sie die Rosen in eine improvisierte Vase. Später goss sie sie in Bronze, und im Allgemeinen behielt sie die Geschichte, wie sie sie bekommen hatte, für sich, nur Caroline, die Nachfolgerin von Natalie, bekam die Erzählung von den Geisterrosen zu hören, eines Nachts, als sie beide sehr betrunken waren, und Caroline bestätigte Sam, dass es eine wirklich sehr seltsame und gespenstische Geschichte sei, wenn sie auch insgeheim kein Wort davon glaubte, sodass auch dies in Ordnung ging.
Shadow hatte in der Nähe eines öffentlichen Telefons geparkt. Er rief die Auskunft an und bekam dort ihre Nummer.
Nein, wurde ihm mitgeteilt. Sie sei nicht da. Wahrscheinlich immer noch im Café.
Er hielt auf dem Weg zum Café, um Blumen zu kaufen.
Er fand das Café, überquerte die Straße und stellte sich in den Eingang eines Antiquariats, wartete und beobachtete.
Das Café machte um acht zu, und um zehn nach acht sah Shadow Sam Black Crow aus der Tür treten. Sie war in Begleitung einer kleineren Frau, deren zu Zöpfen geflochtenes Haar einen eigenartigen Rotton aufwies. Sie hielten sich fest bei der Hand, als könnten sie durch simples Händchenhalten die Welt in die Schranken weisen, und unterhielten sich, genauer: Meistenteils redete Sam und die Freundin hörte zu. Shadow hätte gern gewusst, was Sam da zu erzählen hatte. Sie lächelte beim Reden.
Die beiden Frauen überquerten die Straße und gingen an der Stelle vorbei, wo Shadow stand. Die bezopfte Frau passierte ihn in weniger als einem halben Meter Entfernung; er hätte die Hand ausstrecken und sie berühren können. Dennoch nahmen sie ihn überhaupt nicht wahr.
Er sah sie die Straße hinuntergehen und empfand einen kleinen Stich, so als wäre in seinem Innern ein Mollakkord angeschlagen worden.
Es war ein guter Kuss gewesen, überlegte Shadow, aber Sam hatte ihn nie so angesehen, wie sie jetzt die Zopffrau ansah, und sie würde es wohl auch niemals tun.
»Ach, zum Teufel. Dafür haben wir Peru«, sprach er vor sich hin, während Sam sich von ihm entfernte. »Und El Paso. Das wird uns immer bleiben.«
Dann eilte er
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