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American Gods

American Gods

Titel: American Gods Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Gaiman
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noch Zeit, bevor das Essen fertig ist«, sagte Shadow. »Wollen wir noch ein Spiel machen? Dieselben Bedingungen?«
    Tschernibog zündete sich mit einem Streichholz aus einer großen Schachtel eine neue Zigarette an. »Wie soll das unter gleichen Bedingungen gehen? Soll ich Sie zweimal umbringen?«
    »Im Moment haben Sie einen Schlag frei, das ist alles. Sie haben selber gesagt, dass es nicht nur auf die Kraft ankommt, sondern auch aufs Geschick. Wenn Sie also das zweite Spiel auch gewinnen, dürfen Sie mir zwei Schläge auf den Kopf verpassen.«
    Tschernibog sah finster drein. »Ein Schlag – mehr als einen Schlag braucht es nicht. Das ist die Kunst.« Er klopfte sich, dort wo die Muskeln waren, auf den rechten Oberarm und verstreute dabei die graue Asche der Zigarette, die er in der Linken hielt.
    »Es ist lange her. Falls Sie Ihre Fertigkeit verloren haben, krieg ich vielleicht nur eine Beule. Wie lang ist es her, seit Sie auf den Schlachthöfen den Hammer geschwungen haben? Dreißig Jahre?
    Vierzig?«
    Tschernibog schwieg. Sein geschlossener Mund bildete einen grauen Schlitz quer übers Gesicht. Er klopfte mit den Fingern auf den Holztisch und ging in rhythmisches Trommeln über. Dann schob er die vierundzwanzig Spielsteine zurück auf ihre Ausgangsfelder.
    »Spielen Sie«, sagte er. »Sie sind wieder weiß, ich bin schwarz.«
    Shadow schob den ersten Stein nach vorn. Tschernibog tat seinen Zug. Und Shadow ahnte plötzlich, dass Tschernibog versuchen würde, das gleiche Spiel noch einmal zu spielen, genau das Spiel, das er eben gewonnen hatte, und dass darin die Grenzen seiner Spielkunst lägen.
    Diesmal spielte Shadow einfach drauflos. Er ergriff jede kleinste Gelegenheit, machte seine Züge, ohne nachzudenken, ohne Bedenkzeit. Und diesmal lächelte Shadow beim Spielen, und jedesmal, wenn Tschernibog einen seiner Steine führte, wurde Shadows Lächeln noch breiter.
    Bald schon knallte Tschernibog die Steine nur noch aufs Brett, und er tat es so heftig, dass der ganze Holztisch und mit ihm die verbleibenden Spielsteine auf ihren schwarzen Feldern ins Zittern gerieten.
    »Da«, sagte Tschernibog, indem er einen von Shadows Steinen übersprang und seinen Stein aufs Feld dahinter knallte. »Da. Was sagen Sie dazu?«
    Shadow sagte gar nichts; er lächelte nur und übersprang den Stein, den Tschernibog eben bewegt hatte, und dann noch einen, und noch einen, und den vierten, bis die ganze Mitte des Brettes von schwarzen Steinen geräumt war. Er nahm einen weißen Stein vom Stapel neben dem Brett und baute sich eine Dame.
    Danach war es nur noch eine Aufräumübung, eine Hand voll von Zügen, bis das Spiel vorbei war.
    »Drittes Spiel entscheidet?«, sagte Shadow.
    Tschernibog starrte ihn nur mit stahlgrauen Augen an. Dann lachte er und klopfte Shadow mit beiden Händen auf die Schultern. »Sie gefallen mir!«, rief er aus. »Sie haben Schneid.«
    In diesem Moment steckte Sarja Utrennjaja den Kopf durch die Tür, um ihnen mitzuteilen, dass das Essen fertig sei und sie doch bitte ihr Spiel wegräumen und eine Decke auf den Tisch legen sollten.
    »Wir haben kein Esszimmer«, sagte sie. »Leider. Wir essen hier im Wohnzimmer.«
    Servierschüsseln wurden auf den Tisch gestellt. Jeder der Speisenden bekam, damit er oder sie aus dem Schoß essen konnte, ein kleines bemaltes Tablett, auf dem stumpf glänzendes Besteck lag.
    Sarja Wetschernjaja nahm fünf Holzschüsseln, in die sie je eine ungeschälte gekochte Kartoffel füllte, dann schöpfte sie eine reichliche Portion eines Furcht erregend purpurroten Borschtsch dazu. Sie gab noch einen Löffel weißen Sauerrahm hinein und reichte die Schüsseln dann weiter.
    »Ich dachte, wir wären zu sechst«, sagte Shadow.
    »Sarja Polunotschnaja schläft noch«, sagte Sarja Wetschernjaja. »Wir stellen ihr das Essen immer in den Kühlschrank. Wenn sie aufwacht, wärmt sie es sich auf.«
    Der Borschtsch war säuerlich und schmeckte nach eingelegter Roter Bete. Die gekochte Kartoffel war mehlig.
    Als nächsten Gang gab es einen ledrigen Schmorbraten, begleitet von einer Art Grüngemüse, das freilich so lange und gründlich durchgekocht war, dass es schwerlich noch als grün gelten konnte, dafür aber Anspruch erheben durfte, in die Klasse der Braungemüse aufgenommen zu werden.
    Dazu gab es gefüllte Kohlblätter, die eine solch widerstandsfähige Konsistenz aufwiesen, dass man sie beinahe nicht schneiden konnte, ohne die aus Hackfleisch und Reis bestehende Füllung auf dem Teppich zu

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