American Gods
aus«, sagte Nancy. »Eine Geschichte ist ein gutes Mittel, wenn man jemanden auf seine Seite bringen will. Und du hast ja keinen Barden dabei, der ihnen was vorsingen könnte.«
»Keine Geschichten«, sagte Wednesday. »Nicht jetzt. Später wird Zeit für Geschichten sein. Aber nicht jetzt.«
»Keine Geschichten. Na gut. Ich mache also nur den Anheizer.« Und Mr. Nancy schritt, ein entspanntes Lächeln auf den Lippen, in den Feuerschein hinein.
»Ich weiß, was ihr alle denkt«, sagte er. »Ihr denkt, was will der alte Compe Anansi, dass er hier vortritt und zu euch spricht, nachdem der Allvater euch alle hergerufen hat, genau wie er auch mich herbestellt hat? Tja, wisst ihr, manchmal braucht man einen Anstoß, muss an ein paar Dinge erinnert werden. Als ich hier reinkam, hab ich mich umgeguckt und gedacht, wo sind bloß all die anderen? Aber dann dachte ich, nur weil wir wenige sind und sie so viele, nur weil wir schwach sind und sie mächtig, sind wir trotzdem noch lange nicht verloren.«
»Also, einmal sah ich den Tiger unten am Wasserloch, er hatte die größten Hoden von allen Tieren und die schärfsten Klauen und zwei Vorderzähne, die so lang waren wie Messer und so scharf wie Klingen. Und ich sagte zu ihm: Bruder Tiger, geh du nur ruhig ein bisschen schwimmen, ich passe so lange auf deine Eier auf. Er war so stolz auf seine Eier. Also nimmt er ein Bad im Wasserloch, ich aber lege seine Eier an und lasse ihm meine eigenen kleinen Spinneneier da. Und wisst ihr, was ich dann gemacht hab? Ich bin weggerannt, so schnell meine Füße mich getragen haben.
Ich habe nicht aufgehört zu rennen, bis ich in der nächsten Stadt war. Und da treffe ich den alten Affen. Siehst ja mächtig gut aus, Anansi, sagt der alte Affe. Und ich sag zu ihm: Weißt du, was sie drüben in der Stadt alle singen? Was singen sie denn?, fragt er mich. Sie singen ein ganz furchtbar lustiges Lied, sage ich. Dann führ ich einen Tanz auf und ich singe:
Tigers Eier, juhe,
Tigers Eier, die hab ich gefressen.
Keiner macht mich jetzt mehr an,
Probiert er’s doch, dann ist er dran.
Tigers Klöten sind jetzt nämlich mein,
Tigers Eier schmecken fein.
Der alte Affe lacht sich fast kaputt, er hält sich die Seite und schüttelt sich und stampft mit den Füßen auf, und dann fängt er an zu singen: Tigers Eier, juhe, Tigers Eier, die hab ich gefressen, schnippt mit den Fingern, wirbelt auf seinen zwei Füßen herum. Das ist ein tolles Lied, sagt er, das werde ich allen meinen Freunden vorsingen. Tu das, sag ich zu ihm, und dann lauf ich zurück zum Wasserloch.
Da ist auch schon der Tiger. Er läuft am Wasserloch auf und ab und schlägt wild mit dem Schwanz, und seine Ohren und das Fell am Nacken stehen so weit hoch, wie es überhaupt nur geht, und er schnappt mit den riesigen alten Säbelzähnen nach jedem Insekt, das in seine Nähe kommt, und in seinen Augen züngelt orangefarbenes Feuer. Er sieht groß, gemein und Furcht erregend aus, aber zwischen seinen Beinen, da baumeln die kleinsten Eier in dem kleinsten schwarzen und verkrumpeltsten Eiersack, den man je gesehen hat.
He, Anansi, sagt er, als er mich sieht. Du solltest doch auf meine Eier aufpassen, während ich baden gehe. Aber als ich aus dem Schwimmloch rausgekommen bin, lag da am Ufer nichts weiter als diese kleinen schwarzen, eingeschrumpelten, nichtsnutzigen Spinneneier, die ich jetzt trage.
Ich hab mein Bestes getan, versichre ich ihm, aber das waren diese Affen, die sind gekommen und haben deine Eier aufgefressen, und als ich sie verjagen wollte, haben sie mir meine eigenen kleinen Eier abgerissen. Da hab ich mich so geschämt, dass ich weggelaufen bin.
Du bist ein Lügner, Anansi, sagt Tiger. Ich werde deine Leber verspeisen. Aber dann hört er die Affen, die aus der Stadt ans Wasserloch kommen. Ein Dutzend glücklicher Affen, hoppeln den Weg entlang, schnippen mit den Fingern und singen so laut sie können:
Tigers Eier, juhe,
Tigers Eier, die hab ich gefressen.
Keiner macht mich jetzt mehr an,
Probiert er’s doch, dann ist er dran.
Tigers Klöten sind jetzt nämlich mein,
Tigers Eier schmecken fein.
Und der Tiger fängt an zu fauchen, und dann brüllt er und stürmt los, hinter den Affen her, und die flüchten kreischend auf die höchsten Bäume. Und ich kratze mir die schönen neuen großen Eier, die zwischen meinen dürren Beinen hängen, was sich verdammt gut anfühlt, und dann geh ich nach Hause. Und bis zum heutigen Tage ist der Tiger hinter
Weitere Kostenlose Bücher