American Psycho
dann widerstrebend fort: »›Sieh den armen Nigger an. Sieh den armen Nigger … an … der … Wand.‹« Stockend hört sie wieder auf, sieht mich unsicher an und dann wieder aufs Papier.
»Weiter«, sage ich und sehe mich nach dem Kellner um. »Lies zu Ende.«
Sie räuspert sich, richtet den Blick starr aufs Papier und versucht, den Rest zu lesen, ihre Stimme leiser als ein Flüstern: »›Scheiß auf den Nigger … scheiß auf den Nigger an der Wand …‹« Ihre Stimme versagt wieder, dann liest sie seufzend den letzten Satz. »›Schwarzer Mann ist … de … debil?‹«
Das Pärchen am anderen Tisch hat sich langsam zu uns umgedreht und glotzt uns an. Der Mann guckt entgeistert, die Frau macht ein ähnlich entsetztes Gesicht. Ich starre sie wütend an, bis sie den Blick wieder auf ihren verdammten Salat richtet.
»Tja, Patrick«, sagt Bethany, räuspert sich, versucht zu lächeln, reicht mir das Blatt zurück.
»Ja?« frage ich. »Und?«
»Wie ich sehe« – sie bricht ab, sucht nach Worten – »ist dein Sinn für soziale Ungerechtigkeit« – wieder räuspert sie sich und schaut zu Boden – »noch ungebrochen.«
Ich nehme ihr das Blatt aus der Hand, stecke es in die Tasche und lächle, immer noch bemüht, keine Miene zu verziehen, halte mich aufrecht, damit sie nicht merkt, wie sich in mir alles zusammenzieht. Unser Kellner kommt an den Tisch, und ich frage ihn, welches Bier sie ausschenken.
»Heineken, Budweiser, Amstel Light«, betet er her.
»Ja?« frage ich, ohne einen Blick von Bethany zu wenden, und deute ihm an weiterzumachen.
»Das ist, eh, alles, Sir«, sagt er.
»Kein Corona? Kein Kirin? Kein Grolsch? Kein Moretti?« frage ich, verwirrt, gereizt.
»Es tut mir leid, Sir, aber – nein«, sagt er vorsichtig. »Nur Heineken, Budweiser, Amstel Light.«
»Nicht zu fassen«, seufze ich. »Ich nehme einen J&B mit Eis. Nein, einen Absolut Martini. Nein, doch einfach einen J&B.«
»Und ich nehme noch ein San Pellegrino«, sagt Bethany.
»Ich nehme dasselbe«, setze ich schnell hinzu, während mein Bein unterm Tisch unkontrollierbar auf und ab zuckt.
»Okay. Wollen Sie die Tagesangebote hören?« fragt er.
»Um jeden Preis«, schnappe ich, dann, ruhiger, lächle ich Bethany ermutigend zu.
»Sind Sie sicher?«
Er lacht.
»Bitte«, sage ich unnachsichtig und studiere die Karte.
»Als Appetizer habe ich sonnengetrocknete Tomaten und goldenen Kaviar mit Poblano-Chilies und außerdem habe ich frische Endiviensuppe …«
»Einen Moment mal, einen Moment mal«, sage ich und hebe eine Hand, um ihm Einhalt zu gebieten. »Warten Sie einen Moment.«
»Bitte, Sir?« fragt der Kellner verstört.
» Sie haben? Sie meinen, das Restaurant hat«, korrigiere ich ihn. »Nicht Sie haben sonnengetrocknete Tomaten. Das Restaurant hat sie. Nicht Sie haben Poblano-Chilies. Das Restaurant hat sie. Seien Sie einfach, na ja, präzise.«
Der Kellner blickt verdutzt zu Bethany, die gewandt die Situation entschärft, indem sie ihn fragt: »Wie wird die Endiviensuppe serviert?«
»Ehm, kalt«, sagt der Kellner, der sich nach meinem Ausbruch noch nicht ganz gefangen hat; er spürt, daß er es mit einem sehr, sehr heiklen Kunden zu tun hat. Er schweigt wieder, unsicher.
»Weiter«, dränge ich. »Bitte machen sie weiter.«
»Sie wird kalt serviert«, hebt er wieder an. »Und als Entree haben wir Monkfish mit Mangoschnitten und Red Snapper, Brioche-Sandwich mit Ahornsirup und« – er zieht wieder den Block zu Rate – »Cotton.«
»Mmmmm, klingt himmlisch. Cotton, mmmmmm«, sage ich und reibe mir freudig die Hände. »Bethany?«
»Ich nehme das Chevice mit Porree und Sauerampfer«, sagt Bethany. »Und Endiviensalat mit … Walnußdressing.«
»Sir?« fragt der Kellner zaghaft.
»Ich nehme …« Ich überfliege schnell die Karte. »Ich nehme den Tintenfisch mit Pinienkernen, und könnte ich eine Scheibe Ziegenkäse, bitte von Chèvre « – ich werfe Bethany einen Blick zu, um festzustellen, ob sie meine falsche Aussprache zusammenzucken läßt – »dazu haben und etwas … ah, Salsa.«
Der Kellner nickt, geht, wir sind wieder allein.
»Na.« Sie lächelt, bemerkt dann das leichte Beben des Tischs. »Was ist denn … mit deinem Bein?«
»Mein Bein? Oh.« Ich sehe runter zu ihm, dann wieder zu ihr. »Es ist … die Musik. Mir gefällt die Musik so gut. Die Musik, die gerade läuft.«
»Was ist es denn?« fragt sie, verrenkt den Hals beim Versuch, den Refrain der New-Age-Muzak zu erhaschen, die aus den an
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