American Psycho
wo Kellner Tische fürs Dinner aufstellen. Auch ich sehe ihnen zu. »Warum spüre ich da eine gewisse Feindseligkeit bei dir, Patrick?« fragt sie sanft und nippt dann an ihrem Wein.
»Vielleicht, weil ich feindselig bin«, erwidere ich barsch. »Vielleicht spürst du das. «
»Jesus, Patrick«, sagt sie, sieht mir forschend ins Gesicht und ist ernstlich verärgert. »Ich dachte, du und Robert wärt Freunde.«
»Was?« frage ich. »Ich bin ganz durcheinander.«
»Waren du und Robert nicht Freunde?«
Ich zögere, zweifelnd. »Waren wir das?«
»Ja, Patrick, wart ihr.«
»Robert Hall, Robert Hall, Robert Hall«, murmele ich vor mich hin, als versuchte ich, mich zu erinnern. »Stipendiat? Sprecher im letzten Studienjahr?« Ich denke noch einen Moment darüber nach, setze dann hinzu: »Fliehendes Kinn?«
»Nein Patrick«, sagt sie. »Der andere Robert Hall.«
»Ich verwechsle ihn mit dem anderen Robert Hall?« frage ich.
»Ja, Patrick«, sagt sie am Ende mit ihrer Geduld.
Ich zucke innerlich zusammen, schließe die Augen und seufze. »Robert Hall. Doch nicht der, dessen Eltern, na ja, halb Washington gehört? Doch nicht der, der« – ich schlucke – »Kapitän der Auswahlmannschaft war? Einsfünfundachtzig groß?«
»Ja«, sagt sie. » Der Robert Hall.«
»Aber …« Ich breche ab.
»Ja? Aber was? « Sie scheint auf die Antwort warten zu wollen.
»Aber er war schwul «, stoße ich hervor.
»Nein, war er nicht, Patrick«, sagt sie, eindeutig gekränkt.
»Ich weiß genau, daß er schwul war.« Ich nicke mit dem Kopf. »Und woher weißt du’s so genau?« fragt sie, ohne es komisch zu finden.
»Weil er sich von den Jungs aus der Verbindung – nicht von denen in meinem Haus – also, von denen hat er sich auf Parties der Reihe nach durchficken lassen und fesseln und so. Jedenfalls habe ich das gehört«, sage ich aufrichtig, und dann, peinlich berührt wie nie in meinem Leben, gestehe ich: »Hör mal, Bethany, er hat mir mal angeboten, na ja, mir einen zu blasen. In der, ehm, Soziologie-Abteilung der Bibliothek.«
»O Gott«, japst sie angewidert. »Wo bleibt die Rechnung?«
»Ist Robert Hall nicht geflogen, weil er seine Dissertation über Babar geschrieben hat? Oder so was Ähnliches wie Babar?« frage ich. »Babar den Elefanten? Den, oh Jesus, französischen Elefanten?«
»Wovon sprichst du?«
»Paß auf«, sage ich. »War er nicht auf der Business School in Kellog? Auf der Northwestern, richtig?«
»Er hat abgebrochen«, sagt sie, ohne mich anzusehen.
»Hör mal.« Ich berühre ihre Hand.
Sie zuckt und zieht sie weg.
Ich versuche zu lächeln. »Robert Hall ist nicht schwul –«
»Das kann ich nur bestätigen«, sagt sie, einen Tick zu selbstgefällig. Wie kann sich ein Mensch wegen Robert Hall aufregen? Anstatt zu sagen: »Ach ja, du dämliche Fotze«, sage ich begütigend: »Ich bin sicher, das kannst du«, dann: »Erzähl mehr von ihm. Ich möchte wissen, wie es zwischen euch beiden steht«, und schließlich entschuldige ich mich, lächelnd und innerlich kochend. »Tut mir leid.«
Es dauert seine Zeit, aber endlich gibt sie nach und erwidert das Lächeln, und ich bitte sie noch mal: »Erzähl mir mehr«, und dann, leise und lächelnd, als hätte ich Maulsperre: »Ich will dir den Bär aufschlitzen.« Leicht angesäuselt vom Chardonnay entspannt sie sich und plaudert ungehemmt.
Ich denke an andere Zeiten, während sie über ihre jüngste Vergangenheit erzählt: Luft, Wasser, Zeit, einen Moment, einen Ort irgendwo, als ich ihr alles Schöne dieser Welt zeigen wollte. Ich habe keinen Sinn für Geständnisse, für neue Anfänge, für alles, was sich jenseits der Grenzen meines unmittelbaren Horizonts abspielt. Ein junges Mädchen, Erstsemester, das ich in einer Bar in Cambridge kennenlernte, als ich im vorletzten Jahr in Harvard studierte, erzählte mir mal im Frühherbst, daß »das Leben voller unendlicher Möglichkeiten« steckt. Ich kämpfte eisern, um nicht an den Salznüssen zu ersticken, auf denen ich kaute, während ihr dieser Nierenstein der Weisen abging, spülte die Nüsse ganz ruhig mit einem Schluck Heineken runter, lächelte und konzentrierte mich aufs Dartspiel, das in der Ecke ablief. Muß ich betonen, daß sie ihr zweites Jahr nicht mehr erlebte? Im selben Winter fand man ihren Körper im Charles River treibend, enthauptet, ihr Kopf baumelte drei Meilen entfernt an den Haaren von einem tiefhängenden Ast. Meine Wut in Harvard war weniger grausam als jetzt, und zu hoffen,
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