American Psycho
dem Vogel – eine seltsame Spannung, ein bizarrer Drang, der alles Folgende nährt, das beginnt, geschieht und endet, ganz schnell.
In der Dunkelheit des Pinguingeheges – »Am Rande des Packeises«, wie es der Zoo prätentiös nennt – ist es kalt, ein scharfer Kontrast zur Schwüle draußen. Die Pinguine im Becken gleiten unter Wasser faul an den Glaswänden entlang, vor denen sich glotzende Besucher drängen. Die Pinguine auf den Felsen, die nicht schwimmen, sehen benommen, erschöpft aus, müde und gelangweilt; sie gähnen meistens, plustern sich manchmal. Künstliche Pinguin-Schreie, wahrscheinlich vom Band, dringen aus den Lautsprechern, die jemand lauter gestellt hat, weil der Raum überfüllt ist. Die Pinguine sind niedlich, nehme ich an. Ich entdecke einen, der aussieht wie Craig McDermott.
Ein Kind, kaum fünf, ißt den Rest seines Schokoladenriegels. Die Mutter sagt ihm, es soll das Papier wegwerfen, und spricht dann wieder mit einer anderen Frau, die ein Kind im ungefähr gleichen Alter hat, alle drei starren ins schmutzige Blau des Pinguingeheges. Das erste Kind geht zur Mülltonne in einem schlecht beleuchteten Winkel des Raums, hinter der ich jetzt kauere. Es steht auf Zehenspitzen und wirft das Papier sorgfältig in den Müll. Ich flüstere etwas. Das Kind sieht mich und steht da, fern der Menge, etwas ängstlich und doch stumm fasziniert. Ich starre zurück.
»Möchtest du … ein Plätzchen?« frage ich und greife in meine Tasche.
Der Junge nickt, bewegt seinen kleinen Kopf hoch, dann wieder runter, ganz langsam, doch ehe er antworten kann, steigert sich meine plötzliche Sorglosigkeit zu unbändiger Raserei, und ich ziehe mein Messer aus der Tasche und stoße es ihm blitzschnell in den Nacken.
Verblüfft stolpert er rückwärts in die Mülltonne, gurgelnd wie ein Baby, kann nicht laut schreien oder weinen, weil das Blut aus der Wunde in seinem Hals zu schießen beginnt. Obwohl ich gerne zusehen würde, wie dieses Kind stirbt, schiebe ich es hinter die Mülltonne, mische mich dann unauffällig unter die anderen, berühre die Schulter eines hübschen Mädchens und zeige lächelnd auf einen Pinguin, der sich anschickt zu springen. Hinter mir könnte man, wenn man genau hinsehen würde, die Füße des Kindes hinter der Mülltonne zappeln sehen. Ich behalte die Mutter des Kindes im Auge, die nach einer Weile das Verschwinden ihres Sohns bemerkt und die Menge mit den Augen absucht. Ich berühre wieder die Schulter des Mädchens, und sie lächelt mich an und zuckt bedauernd die Achseln, obwohl ich nicht weiß, warum.
Als die Mutter ihn schließlich entdeckt, schreit sie nicht, weil sie nur seine Füße sehen kann und annimmt, daß er sich zum Spaß vor ihr versteckt. Zunächst wirkt sie erleichtert, daß sie ihn gefunden hat, und gurrt, auf die Mülltonne zugehend: »Spielst du Verstecken, Liebling?« Aber von dort, wo ich stehe, hinter dem hübschen Mädchen, die Ausländerin ist, Touristin, wie ich bereits festgestellt habe, kann ich den genauen Moment beobachten, in dem der Ausdruck im Gesicht der Mutter sich zu Furcht wandelt und sie ihre Handtasche über die Schulter wirft, die Mülltonne zur Seite zerrt und ein Gesicht entdeckt, das völlig mit rotem Blut bedeckt ist; und deshalb kann das Kind kaum blinzeln und greift nach seiner Kehle, jetzt nur noch schwach strampelnd. Die Mutter macht ein Geräusch, das ich kaum beschreiben kann – einen hohen Ton, der in einen Schrei mündet.
Als sie neben dem Körper zu Boden fällt und ein paar Leute sich umdrehen, höre ich mich laut ausrufen, die Stimme belegt von Mitgefühl: »Lassen Sie mich durch, zur Seite, ich bin Arzt«, und ich knie neben der Mutter, ehe sich eine neugierige Menge um uns versammelt, und ziehe ihre Arme von dem Kind weg, das nun auf dem Rücken vergeblich nach Luft schnappt, während das Blut gleichmäßig, aber schon schwächer aus seinem Hals auf das bereits durchnäßte Polohemd sprudelt. Und während ich den Kopf des Kindes halte, ehrfürchtig, sorgsam bedacht, mich nicht blutig zu machen, bin ich mir schwach bewußt, daß, falls jemand einen Telefonanruf macht oder ein richtiger Doktor zur Hand ist, eine gute Chance besteht, das Kind zu retten. Aber dazu kommt es nicht. Statt dessen halte ich es, gedankenlos, während die Mutter – häuslich, jüdisch aussehend, übergewichtig, bemitleidenswert erfolglos in ihrem Bemühen, sich mit Designerjeans und einem unansehnlichen schwarzen Wollsweater mit Rankenmuster schick zu
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