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Amerika!: Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (German Edition)

Amerika!: Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (German Edition)

Titel: Amerika!: Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geert Mak
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Sorgen, Gefahren und Entbehrungen genoss sie in vollen Zügen den Überfluss und das Scheinglück. Das war die Belohnung nach generationenlangem Schuften, das war das endlich eingelöste Versprechen Amerikas, so sollte das Leben in Zukunft aussehen.
    In denselben Jahren wurden die Amerikaner noch mit einem anderen Phänomen konfrontiert, das ihre Gesellschaft stark beeinflussen sollte. Robert Kennedy sagte einmal, das amerikanische Kind habe in seiner Jugend drei Eichpunkte: das Zuhause, die Schule und die Kirche. Dazu gesellte sich in den fünfziger Jahren ein weiterer Faktor: das Fernsehen.
    1941 sah in Sag Harbor, dem späteren Wohnort John Steinbecks, praktisch niemand fern. Die Wenigen jedoch, die es taten, fuhren am 1. Juli hoch: Der New Yorker Fernsehsender WNBT-TV unterbrach das normale Programm und strahlte sechzig Sekunden lang das Bild einer gemächlich tickenden Uhr aus. Eine Bulova! Aus ihrer Bulova-Fabrik in Sag Harbor! Nach einer Minute verlor sich das Bild wieder. Das war alles. Es war der erste Fernsehwerbespot der Welt.
    1947 gab es im ganzen Land nur 44 000 Fernsehapparate. Man konnte nur lokal senden. Neue Ausstrahlungstechniken wurden entwickelt, die ersten nationalen Netze entstanden, und danach ging alles rasend schnell. Während des Wahlkampfs 1952, als Eisenhower eine Reihe einminütiger Werbespots gegen seinen Konkurrenten Adlai Stevenson in Stellung brachte, wurde zum ersten Mal politische Werbung im Fernsehen gemacht. Es gab eine ganze Reihe Kritiker, die das unwürdig fanden: »die Präsidentschaft verkaufen wie Haferflocken«.
    Eisenhower gewann. Doch Stevenson, der als Kandidat der Demokraten sowohl 1952 als auch 1956 gegen Eisenhower antrat und sich um das Amt des Präsidenten bewarb, blieb bei seinen intellektuellen Anhängern sehr beliebt, gerade wegen seiner Weigerung, vor der modernen Technik zu kapitulieren. Steinbeck war ein großer Freund von Stevenson und schrieb gelegentlich Reden für ihn. Für Steinbeck und seine Seelenverwandten war der Wahlkampf 1952 das letzte ritterliche Gefecht, ein letztes Aufleben altmodischer Rhetorik, während die neuen politischen Umgangsformen ihre Schatten bereits vorauswarfen.
    1953 hatte das Fernsehen das Radio überholt: Statistisch gesehen gab es in Amerika mehr Fernseher als Radios. Eine Folge der Ed Sullivan Show hatte mehr als fünfzig Million Zuschauer. Die soap operas , sich über Tage hinziehende Familiendramen, die, wegen der zuschauenden Hausfrauen, oft von Waschmittelreklame unterbrochen wurden, bestimmten mehr und mehr die Gespräche. David Halberstam beschreibt, wie ein junger Zuschauer – wahrscheinlich er selbst – fasziniert ist von der Tatsache, dass ein Kind in einer solchen Serie zur Strafe »nach oben« geschickt wird. Er selbst konnte damals nur von einem Haus träumen, in dem es ein »Oben« gab, ganz zu schweigen von einem eigenen Zimmer. Aber das war die Botschaft, welche die Seifenopern immer wieder verkündeten: »Morgen könnt auch ihr so leben.«
    Doch der massenhafte Fernsehkonsum hatte auch unerwünschte Auswirkungen auf die Amerikaner. Die Statistiken jener Jahre zeigen einen deutlichen Knick: Die Menschen lasen nicht mehr so viel, sie engagierten sich weniger ehrenamtlich, sie wurden dicker und blieben häufiger zu Hause. Die Wohnung und die eigene Familie rückten mehr in den Mittelpunkt, auf Kosten des öffentlichen Lebens.
    In den Vorstädten wurden neue Häuser gebaut, deren Erholungsbereiche – Garten, Schwimmbad und andere Freizeitbeschäftigungen für die Familie – nach hinten raus lagen. Nur die Garage befand sich noch auf der Vorderseite. Die Bewohner wandten sich von der Straße ab. Die Werbung und die Politik richteten sich nicht mehr an die Menge draußen, sondern an die Familie zu Hause. Auch hier sprechen die Zahlen Bände: Die Amerikaner gingen immer seltener ins Kino oder ins Theater, sie besuchten weniger Versammlungen und andere Zusammenkünfte, sie verbrachten weniger Zeit bei Sportveranstaltungen, saßen weniger oft in der Kneipe und hatten weniger Kontakt mit den Nachbarn. Begräbnisse, die immer eine Dorf- und Nachbarschaftsangelegenheit gewesen waren, wurden mehr und mehr zur Privatsache.
    In Sag Harbor berichtete John Ward, dass er immer zusammen mit John Steinbeck das traditionelle Feuerwerk am Unabhängigkeitstag abfeuerte. »Er war ganz wild darauf, sobald er es irgendwo knallen hörte, war er mit von der Partie.« Aber selbst der Unabhängigkeitstag, seit alters her ein

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