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Amnesie - Robotham, M: Amnesie - Lost

Amnesie - Robotham, M: Amnesie - Lost

Titel: Amnesie - Robotham, M: Amnesie - Lost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Robotham
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nicht, dass Howard sie getötet hat.«
    Zunächst reagiert sie nicht. Vielleicht hat sie die Hoffnung aufgegeben oder ist an die Vergangenheit gefesselt. Aber nur für einen Moment, dann läuft sie auf mich zu. Ich habe ihr die Wahl zwischen Hass, Vergebung und Glauben gelassen. Und sie möchte glauben.

30
    »Wohin fahren wir?«, fragt Rachel.
    »Sie werden schon sehen. Es ist gleich da vorn.«
    Wir parken vor einem kleinen Haus in Hampstead; den Eingang überspannt ein Laubenbogen, ordentlich gestutzte Rosen säumen den Weg. Wir sprinten durch den leichten Regen und drängen uns unter das Vordach, bis unser Klingeln erhört wird.
    Esmeralda Bird, eine gesetzte Dame in Rock und Strickjacke, lässt uns im Wohnzimmer warten, während sie ihren Mann holt. Wir hocken auf der Sofakante und betrachten die gehäkelten Kissenbezüge, die Spitzendeckchen und Fotos von übergewichtigen Enkeln überall im Raum. So sahen Wohnzimmer aus, bevor die Leute anfingen, warenlagerweise lackierte Kiefer aus Skandinavien zu kaufen.
    Ich habe die Birds vor drei Jahren während der damaligen Ermittlungen kennen gelernt. Als Pensionäre gehören sie zu den Menschen, die gegenüber Polizeibeamten einen förmlichen Ton anschlagen und auch am Telefon anders klingen.
    Mrs. Bird kehrt zurück. Sie hat irgendetwas mit ihren Haaren gemacht, sie nach hinten gebunden oder sie einfach anders gebürstet. Außerdem hat sie eine andere Strickjacke und Perlenohrringe angelegt.
    »Ich mach uns rasch eine Kanne Tee.«
    »Das ist wirklich nicht nötig.«
    Sie hört gar nicht hin.
    »Ich habe Kuchen.«
    Brian Bird betritt humpelnd und wie in Zeitlupe die Szenerie, ein Untoter mit völlig kahlem Kopf und einem Gesicht, das zerknittert und eingedrückt ist wie ein Stück Silberfolie. Er wankt
vorwärts, stützt sich auf seinen Stock und scheint eine Stunde zu brauchen, um auf dem Sessel Platz zu nehmen.
    Das Wasser kocht, der Tee zieht und wird durch ein Sieb in Tassen ausgeschenkt und gesüßt. Kein Wort fällt bis hierher. Obstkuchen macht die Runde.
    »Erinnern Sie sich noch, wann ich Sie zuletzt besucht habe?«
    »Ja. Es ging um das vermisste Mädchen – das wir auf dem Bahnsteig gesehen haben.«
    Rachel blickt von Mrs. Bird zu mir und wieder zurück.
    »Genau. Sie haben geglaubt, Sie hätten Michaela Carlyle gesehen. Das ist ihre Mutter Rachel.«
    Das Paar lächelt sie traurig an.
    »Ich möchte, dass Sie Mrs. Carlyle erzählen, was Sie an jenem Abend gesehen haben.«
    »Ja, selbstverständlich«, sagt Mrs. Bird, »aber ich glaube, wir müssen uns geirrt haben. Dieser schreckliche Mann ist doch verurteilt worden. Sein Name fällt mir nicht ein.« Sie sieht ihren Mann an, der ihren Blick mit leerer Miene erwidert.
    Rachel hat ihre Stimme wiedergefunden. »Bitte sagen Sie mir, was Sie gesehen haben.«
    »Auf dem Bahnsteig, ja … lassen Sie mich überlegen. Es war … ein Mittwochabend. Wir hatten Les Misérables im Queen’s Theatre gesehen. Ich habe Les Mis schon einhundert Mal gesehen. Brian hat wegen seiner Bypass-Operation ein paar Vorstellungen verpasst. Hab ich Recht, Brian?«
    Brian nickt.
    »Wieso glauben Sie, dass es Mickey war?«, frage ich.
    »Ihr Bild war in allen Zeitungen. Wir fuhren gerade mit der Rolltreppe abwärts. Und sie trödelte unten herum.«
    »Sie trödelte herum?«
    »Ja, sie wirkte ein wenig verloren.«
    »Was hatte sie an?«
    »Nun, lassen Sie mich überlegen. Es ist ja so lange her, meine Liebe. Was habe ich damals gesagt?«

    »Eine Hose und eine Jacke«, souffliere ich.
    »Oh ja, obwohl Brian meint, es sei eine dieser Trainingshosen gewesen, die man über den Schuhen mit einem Reißverschluss zuzieht. Und auf jeden Fall eine Kapuze.«
    »Und diese Kapuze hatte sie auf?«
    »Ja.«
    »Das heißt, Sie haben ihre Haare nicht gesehen – ob sie lang waren oder kurz?«
    »Nur den Pony.«
    »Und welche Haarfarbe hatte sie?«
    »Hellbraun.«
    »Wie nahe sind Sie ihr gekommen?«
    »Brian konnte wegen seiner Beine nicht so schnell gehen. Ich war vor ihm. Wir waren gut drei Meter entfernt. Zunächst habe ich sie nicht erkannt. Sie wirkte irgendwie verloren, aber ich habe einfach nicht zwei und zwei zusammengezählt. Ich habe sie gefragt: ›Kann ich dir helfen, meine Liebe? Hast du dich verlaufen? ‹ Da ist sie weggerannt.«
    »Wohin?«
    »Den Bahnsteig hinunter.« Sie zeigt an Rachels Schulter vorbei und nickt energisch. Dann beugt sie sich mit ihrer Teetasse vor, sucht mit der anderen Hand die Untertasse und stellt die Tasse darauf

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